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[   Band 4 Brief 167:    Humboldt an Caroline    Paris, 13. Mai 1814   ]


fürs erste ruhig in der Schweiz, wenn es mir irgend möglich ist,
besuche ich Dich auf der Reise nach Wien einen Augenblick in
Bern, oder wo ich Dich immer finde. Denn es verlangt mich un-
endlich und über alles Maß, Dich zu sehen. Ich liebe Dich un-
aussprechlich, und man stellt sich, wie oft man es auch erfahren hat,
nie vor, wieviel man entbehrt, die teuren Züge nicht zu sehen, deren
Anblick Unnennbares in die Seele senkt. Der Mensch ist immer
leichtsinnig im Trennen, und wenn er getrennt ist, ergreift ihn plötzlich
die furchtbare Öde der Gegenwart und windet wie ein physisch
schmerzendes Band um das Herz. Ja, liebe, teure Einziggeliebte,
so ist es mir, so war es mir immer, wenn ich von Dir war, und
so wird es immer sein.
Auch nach der lieben Adelheid sehne ich mich sehr. Ihr
letzter offener Brief an Hedemann ist mir plötzlich wie neu gewesen.
Er ist gar nicht mehr kindisch, er spricht in himmlischer Unschuld
sehr bestimmte Gefühle aus, und ich glaube, man kann die Sache
in den inneren Verhältnissen als abgemacht ansehen. Ich hätte
nichts dawider. Sie könnten in Berlin und Tegel leben und
würden gewiß glücklich sein. Du siehst daraus, daß ich ihren
Brief schon habe, daß ich einige Deiner ferneren bekommen habe.
Ich danke Dir unendlich, daß Du in allem Tumult des Packens
meiner immer mit soviel Liebe gedenkst. Aber Deine Gesundheit
scheint doch noch sehr schwach, dies ängstigt mich sehr. . . .
Wohl, süße Li, habe ich Glück gehabt in meiner öffentlichen
Laufbahn, aber noch mehr im stillen häuslichen Leben, auch ent-
springt alles nur daher. Daß ich Dich habe, umgibt mich mit un-
sichtbaren Segnungen. Das stille Dasein der Frauen webt
eigentlich Glück und Unglück um die Männer und Kinder, die ihnen
angehören. Das bestimmte Handeln ist wenig und fast immer
wie ein zweischneidiges Schwert. Wie man sich auch mühen möge,
man bringt nie durch sich selbst hervor, was man will, das Ge-

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