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[ Band 4 Brief 152: Humboldt an Caroline Dijon, 4. April 1814 ]
Was uns betrifft, so ist bis jetzt noch nichts über unser Weggehen von hier entschieden. Da der Feind im Grunde noch zwischen uns und Paris, wenigstens von der Seite, steht, so ist nicht einmal der Weg sicher. Stein geht übermorgen früh nach Paris ab, man hat ihn gewarnt, allein er wird sich nicht abhalten lassen, weil er immer eine ungestüme Ungeduld hat. Denn es ist sehr närrisch, daß man nicht eben viel von seiner Herzhaftigkeit sagen kann. So gut ich ihm von vielen Seiten bin, so wäre es schlechterdings der Mensch, mit dem ich am wenigsten leben könnte. Wir sind uns in allen kleinlichen Anordnungen des Lebens und vorzüglich in der Weite und der Grenze der Gedanken und Empfindungen durchaus und gänzlich entgegengesetzt. Indes werde ich sehr gut mit ihm fertig und bin noch der einzige, der einigen Einfluß auf ihn ausüben kann. Theodor ist höchstwahrscheinlich mit in Paris gewesen, wird aber auch schon wieder mit ausmarschiert sein. Gewiß hat er doch aber Alexandern und Schlabrendorff besucht. Ich habe heute Deinen lieben Brief Nr. 177 bekommen. Was Du über den Gang der Weltbegebenheiten sagst, teure Seele, ist sehr schön und unendlich wahr. Ich habe jetzt manchmal als einen Tadel aussprechen hören, daß man sich von ihnen fortreißen lasse, allein das Gegenteil verlangen, hieße wollen, daß ein Schiff ohne Wind segle. Sie wahrhaft erkennen, vorahnden, und sie mit Ent- schlossenheit und Klugheit begleiten, ist die tiefe und eigentliche Staatskunst. Überhaupt sind die Kleinmütigen nie mehr beschämt worden als im jetzigen Augenblick. Alle ihre Besorgnisse sind nach und nach zuschanden geworden. Es gibt ihrer indes auch noch jetzt, und der letzte Kampf, der freilich noch bevorsteht, flößt ihnen noch ein gewisses Grauen ein. Ich bekomme soeben, was man heute hier anschlagen wird, und was alle offiziellen Piecen enthält, die in Paris erschienen sind. 298