< zurück Inhalt vor >
[ Band 4 Brief 107: Humboldt an Caroline Freiburg, 29. Dezember 1813 ]
Gemälden ist nichts eigentlich sehr Merkwürdiges. Den einen Holbein, den man sehr schätzt, liebe ich doch nicht sehr. Wenn man die Boisseréesche Sammlung sieht, wird es einem völlig klar, daß es mit Holbein und Cranach nicht so gar viel ist. Ich habe unendlich lange die Einsamkeit nicht so in über- vollem Maße genossen. Auch bin ich still und etwas wehmütig gestimmt, wie es sich ziemt für das scheidende Jahr. Ach! liebe, teure Li, liebe mich auch im künftigen, und trage mich mit Geduld. Es ist doch das einzige wahrhaft Beglückende und Bleibende, wenn zwei Menschen miteinander gehen durch Freud und Leid und die Jahre zusammen beginnen und schließen sehen, bis einer dann auch einmal allein gehen muß, aber bald dem anderen nach- folgt. Wann werde ich Dich im neuen Jahre wiedersehen? Ich sehne mich unglaublich danach. Das Zusammensein allein gewährt doch nur den rechten Reiz des Lebens, und wenn ich das fühle, so ist es nur, weil ich die Freude, das Glück, gerade mit Dir und den Kindern, die Dir gleichen, zu leben, empfinde, nicht weil ich, wie sonst die meisten, das Alleinsein fliehe. O nein, wäre es nicht dies Hängen an Dir, diese Sehnsucht nach Deinem Anblick, so wäre ich viel lieber allein. Ich kann mit der völligsten und reinsten Wahrheit sagen, daß ich keines Menschen bedarf, als die einzige, die ich liebe. Denn die Kinder rechne ich zu Dir. Sonst ist die Einsamkeit viel, viel süßer. Das gewöhnliche Geschwätz, ob ich es gleich mitmache, ist mir verhaßt, Gentz ist der einzige hier, den ich gern habe, und doch sind wir auch so unglaublich verschieden, haben in unserm tiefsten Innern kein Interesse miteinander gemein und können uns daher auch gegenseitig nicht ganz genügen. Er hat neulich der Sagan *), wie er mir sagt, geschrieben, daß er ungern hier ist und warum, aber hinzugesetzt, daß das doch auch nur Geschmacksache sei, weil ——— *) Vgl. S. 23. 204