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[   Band 4 Brief 96:    Humboldt an Caroline    Frankfurt, 30. November 1813   ]


96. Humboldt an Caroline             Frankfurt, 30. November 1813

Ich habe oft eine unglaubliche Sehnsucht nach dir, die
durch die Dunkelheit der Zukunft zur Wehmut wird.
Denn ich sehe wenig Hoffnung vor mir, wieder ruhig und
still mit Dir vereint zu leben, ehe die verwirrende Bewegung, die
jetzt herrscht, beendet ist, auch wünsche ich gewiß, wie unendlich ich
Dich liebe, nicht herauszuscheiden, und das Ziel, das das Ende
dieser Unruhe bezeichnet, kann noch fern sein. Man muß selbst
fast sogar wünschen, daß es fern sei, da nahe gesteckt, es schwerlich
zu einem recht erwünschten Ende führen würde.
Wenn ich Dich nur indes recht glücklich und froh wüßte. Ich
wünschte ordentlich, daß Du jetzt oder wenigstens im Winter nach
Berlin gingest. Es ist mir, als würde es Dir da doch besser
gefallen als in Wien. Für Deine Art zu denken und zu leben,
und mitten mit Deinem Sinn und Deinem Herzen in den Begeben-
heiten und der Teilnahme am allgemeinen Schicksal zu sein, muß
Wien jetzt eine große Einförmigkeit haben.
Es ist eine sehr hübsche Bemerkung in Deinem Briefe, daß,
wenn die Blücher die Schwester einer Nichte der seligen Mama *)
ist, sie auch selbst eine Nichte ist. Ich bin in Verwandtschaften
immer sehr dumm. Auch ist es ein unendlich reizendes Wort, wie
Du schreibst: »Grüße Hedemann tausend liebe Male«. Du bist
ein einzig amüsantes und rührend gutes Kind. Wenn ich Dich
nur einmal sehen könnte, inniggeliebtes Wesen! Das Leben ver-
rinnt, man ist sich fern und weiß oft nicht, warum man so herum-
rennt, so treibt, bis das Grab sich vor den Füßen öffnet. . . .

———
*) Blücher hatte sich 1795 in zweiter Ehe mit Amalie v. Colomb vermählt.

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