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[ Band 4 Brief 86: Humboldt an Caroline Frankfurt, 12. November 1813 ]
[Frankfurt], 13. November 1813 Wenn ein Franzose ein eigentliches Gefühl der Rolle hat, die seine Nation spielt, so ist es freilich schwer, sich einen Begriff zu machen, wie er es erträgt. Im einzelnen erklärt es sich aller- dings leichter. Einer reißt den anderen mit fort, und in keinem hat es einen anderen Grund, als daß er nicht gegen den Strom schwimmen zu können glaubt. Es ist auch offenbar, daß die Nemesis jetzt sehr hart für sie eintritt, und ich glaube nicht, daß Napoleon noch wieder je Glück hat. In der Art, wie das Un- glück ihn ergriffen, und er wieder sich darin betragen hat, ist kein Kampf sichtbar, von dem er den Sieg hoffen könnte. Es ist über- haupt unleugbar, daß nur innere Größe sich eine Harmonie mit dem Schicksale, welches es sei, zu verschaffen versteht, diese aber sie auch immer erzwingt. An dieser Größe aber fehlt es ihm ganz. Das Schicksal ist doch nur das tiefe Zusammenwirken der einzelnen Kräfte in ihrem dunkeln, von uns nicht einzeln übersehenen Wesen, und darum kann jede selbst große und tiefe Kraft mit Sicherheit darauf zählen, mit ihm zusammenzustimmen, selbst wenn es sich feindlich und unversöhnbar zeigt. Denn das Schicksal ist nicht immer gerecht, und das ist eben, was ich mit dem Unterschiede zwischen dem Altertum und der modernen Welt zum Vorteil des ersteren meine, daß die Alten nicht so auf ihre Tugend trotzten und von der Weltregierung Lohn und Begünstigung forderten, daß sie fühlten, der Mensch könne höherem und geheimnisvollem Wirken erliegen, ohne es verschuldet zu haben, daß sie ewige und unumstößliche Gesetze, nicht eine gewissermaßen willkürliche Leitung über Erde und Welt setzten. Daher war ihr Glaube vielleicht minder erhebend mit Trost, aber die Unverbrüchlichkeit des Welt- laufs, in den auch der einzelne Mensch als Ursache verknüpft ist, erschien und war im höchsten Grade, wie Du es sehr schön aus- drückst, mäßigend im Glück und besänftigend im Unglück. 170