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[ Band 4 Brief 84: Humboldt an Caroline Frankfurt, 7. November 1813 ]
Mit dem Eintritt in die Stadt begann ein Lärmen, von dem man sich keinen Begriff macht. Die Pferde wußten kaum, ob sie einen Schritt vorwärts machen sollten, die Menschen ergaben sich ruhig in das Getümmel. Eine Reihe österreichischer Soldaten machte Spalier für den Zug mit klingendem Spiel und Trommeln hinter ihm und selbst vor ihm, soviel es anging, und an allen Fenstern und auf allen Dächern der Häuser war es von Menschen gedrängt voll, die alle zugleich alle unverständlichen und verständlichen Töne der Freude von sich gaben, die Hüte in die Höhe warfen und mit den Schnupf- tüchern schwenkten. Durch viele und enge Gassen ging das ohne Unterschied fort, und man fühlte doch in der Tat, daß es aus voller Brust und von Herzen geschah. Man hatte Sorge gehabt, den Zug durch dieselben Straßen als sonst bei der Kaiserkrönung zu lenken, und auch diese Erinnerung mochte beitragen. Vor dem Dom, dessen Ein- gang in einer sehr engen Gasse ist, hielt man still und stieg ab. Im Chor wurde das Hochamt gehalten und Te Deum gesungen. Im Chor war niemand, der nicht zum Gefolge gehörte, in der Kirche Kopf an Kopf. Beide Kaiser standen unter einem Thronhimmel vor einem Betstuhl, wie Du sie zum Knien kennst, hinter ihnen Lehn- stühle, der Kaiser von Österreich dem Altar näher. An ihn richteten auch die Priester alle Aufmerksamkeiten, Evangelienküssen, Räuchern usf. zuerst. Gegenüber war ein eigener Betstuhl für den Groß- fürsten Konstantin und einer für Schwarzenberg, beide ohne Stühle gemacht, dahinter ein Stuhl für das diplomatische Korps. An der Wand, zur Seite des Kaisers, stand das ganze übrige kaiserliche Gefolge, und gegenüber war die traurige Tribüne der wenn nicht Besiegten, doch Gedemütigten; Eberstein *), Bentzel **), eine Menge ——— *) Ehemaliger Minister des Großherzogs von Frankfurt, Dalberg. **) Christian Ernst Graf v. Bentzel-Sternau, geb. 1767, † 1849, Finanz- minister unter Dalberg. 162