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[ Band 4 Brief 75: Humboldt an Caroline Rötha, 19. Oktober 1813 ]
geblieben, wie ich denn überhaupt mich jetzt noch mehr überzeuge, daß es unendlich viel Orte gibt, wo man himmlisch leben kann, wenn man nur ihre Vorzüge recht einzusehen versteht. So aber hatte ich doch eine Unruhe, so entfernt zu sein, denn die Nachricht, daß die Staatskanzlei nach Zwickau gegangen sei, war nur halb wahr gewesen. Von Chemnitz hatte ich einen Feldjäger an Metternich geschickt, der mir Nachricht nach Zwickau bringen sollte. Allein am 18. um 8 Uhr morgens war er nicht da, und ich be- redete nun Aberdeen, mit unsern Reitpferden und einem Wagen jeder, nach Altenburg zu ziehen. Die andern beredete ich, in Zwickau zu bleiben. Wir ritten unter fürchterlichem Wetter eine halbe Meile, als wir meinem Feldjäger, der am 17. sich mit vieler Entschlossenheit nach Rötha durchgeschlagen hatte, begegneten. Er brachte uns Nachrichten von der Schlacht am 16. und die Ein- ladung, nach Zeitz zu gehen. Wir gingen nun nach Altenburg, und von Altenburg wollten wir heute nach Zeitz unsere Reise fort- setzen. Allein Binder kam selbst nach Altenburg, und so gingen Aberdeen und ich heute mit ihm nach Borna. Als er von Borna seinen Weg nach Rötha fortsetzte, ging Aberdeen zurück, und ich bin hierher gefolgt und werde mich nun nicht ohne bedeutende Ursache zurückbringen lassen. Wieviel gäbe ich darum, wenn Du auf einige Stunden hier sein könntest, teure, liebe Seele. Das Schauspiel würde Deine Seele unglaublich ergreifen und erfüllen, und es mit Dir zu sehen, über so vieles mit Dir zu sprechen, wäre mir ein einziger Genuß. Die drei Monarchen sind heute in Leipzig eingeritten, und die Freude des Volkes soll unglaublich gewesen sein. Alle Straßen gedrängt voll, alle Fenster besetzt, dem Kaiser Franz ist man bis in die Vorstadt nachgelaufen und hat ihm Stiefel, Pferd, alles geküßt. So eine Bewegung, Empfindungen, Leidenschaften in Masse kommen einem im gewöhnlichen Leben nicht vor. 148