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[ Band 4 Brief 65: Humboldt an Caroline Teplitz, 1. Oktober 1813 ]
65. Humboldt an Caroline Teplitz, 1. Oktober 1813 Ich schreibe Dir heute viel gemütlicher als gestern, liebe Li, da ich eine geheizte Stube habe. Es war eine fürchter- liche Kälte diese letzten Tage, und ich bin glücklich in dem Gedanken, daß man nun vor Ende Mais nicht einzuheizen aufhört und die Sonne mit Geringschätzung anblicken kann. Auch habe ich sehr ruhig gearbeitet und mich der Stube erfreut und bin nicht weiter ausgegangen als zu Aberdeen *), wo ich gegessen habe. Aberdeen ist ein angenehmer und noch mehr ein trockener Mensch, und sollten wir noch mit ihm einmal in Wien sein, so ist es ein sehr nützliches und minder gewöhnliches Mitglied der Gesellschaft. Er hat sehr viel Kenntnisse, vorzüglich in Kunst und alter Literatur, hat Italien und Griechenland gesehen und selbst über Architektur geschrieben. Die trockene Manier vieler Eng- länder hat er freilich, allein die ist mir nicht unlieb. Grolman ist ganz wiederhergestellt, er war heut bei mir und geht morgen dem General Barclay nach Komotau nach, wohin dieser vorgestern gegangen ist. Es ist ein äußerst verständiger und guter Mensch, der Dir sehr gefallen würde. Er ist aber für den Augenblick in keiner Lage, wo von seinem entschiedenen Talent Gebrauch ge- macht wird. Überhaupt begreift man erst hier an Ort und Stelle recht die Schwierigkeit, die Leute an den rechten Platz zu bringen. Deinen Brief vom 28. habe ich bekommen. Du meinst, gutes Kind, daß du mir von Wien fast nichts anderes sagen kannst, als »ich danke Dir, und ich liebe Dich«. Als wenn dies nicht so süß täglich zu hören wäre. Es ist das Glück des Lebens, dessen man nie müde wird, wenn es auch immer in gleicher Einförmigkeit wieder- kehrt. Ja, es wird eigentlich immer durch die Wiederholung selbst neu, welche die Treue und Wahrheit bewährt. Dann aber ——— *) Vgl. S. 109. 125