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[ Band 4 Brief 55: Humboldt an Caroline Teplitz, 7. September 1813 ]
Gestern ritt ich mit dem Staatskanzler auf den Schloßberg, auf dem die alte Ruine steht. Die Aussicht ist interessant, eine Menge Berge und Täler, aber doch nichts eigentlich Großes oder recht Zusammenhängendes. Man übersieht aber sehr gut das Schlachtfeld von dort. Die Franzosen waren kaum eine halbe Stunde von Teplitz entfernt. Die meisten anderen Spaziergänge, besonders im Garten, sind jetzt wegen des Gestankes inpraktikabel. Neulich lagen auf einem Ort im Garten wohl 20 abgeschnittene Arme und Beine, und Leichen sind nichts Seltenes. Am meisten aber parfümieren die Pferde. Diese Anblicke haben, wie sie immer so in Masse vorkommen, weniger etwas Erschütterndes und Be- trübendes, als etwas Befremdendes und zu stillem Nachdenken Führendes. Was im gewöhnlichen Leben immer nur einzeln und an Personen erscheint, an denen man Teil nimmt, Krankheit und Tod, hat hier wie eine Werkstatt aufgeschlagen, und die Menschheit entwickelt vor den Augen des Beobachters ihre Schicksale im ganzen und allgemeinen. 56. Humboldt an Caroline Teplitz, 8. September 1813 Ich habe heute mehrere ältere Berichte und Privatbriefe von Gneisenau gelesen, und kann Dir nicht sagen, wie schön, einfach und doch wahrhaft dichterisch manchmal dieser Mann schreibt. Bei den Gefechten am 26. und 28. waren Wege und Wetter abscheulich. Er sagt, daß mehr als die halbe Armee barfuß gewesen sei, bis an den Gürtel durch die Flüsse gewatet habe, allein, daß der Sieg so auf sie wirke, daß kein Mensch nur an dies Ungemach gedacht habe. Daß das Schicksal gerade diese Armee so begünstigt, ist ein wahres Zeichen, daß ihm 111