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[   Band 4 Brief 55:    Humboldt an Caroline    Teplitz, 7. September 1813   ]


ist, ist derselbe, der mit Gropius in Griechenland war; er mag
Kenntnisse haben und interessant sein, nur bringt niemand sie aus
ihm heraus, so still und schweigsam ist er. Auf diese Weise hast
Du ein Bild meines äußeren Lebens. Im Innern gehe ich be-
trachtend für mich herum, wozu es hier unglaublichen Stoff gibt,
suche die am meisten mitwirkenden oder am besten beurteilenden
Offiziere, vorzüglich Langenau und Grolman*), mit dessen Wunde
es sehr gut geht, auf und bilde mir eine Idee vom Geschehenen
und zu Erwartenden. Im ganzen verbürgt alles, daß es gut
gehen wird; und es ist keine Frage, daß es viel glänzender
und schneller gehen würde, wenn es nicht überall Hemmketten
gäbe
Wie geht es Dir, mein süßes, teures Kind? Ich bin mit
meinen Gedanken beständig bei Dir und den Kindern, und wenn ich
nicht mich täglich zu überzeugen Gelegenheit hätte, daß mein Auf-
enthalt hier dennoch von Nutzen ist und täglich noch mehr sein
kann, so würde ich um keinen Preis hier sein mögen. Denn der
Genuß des Glücks, mit Dir zu sein, hält mit nichts anderem die
Vergleichung aus, auch ist es mehr als Genuß. Die Seele fühlt
sich reiner und freier, und die Brust atmet nur halb in der
Entbehrung.
Caroline **) ist ungemein unzufrieden mit der Anstellung ihres
Sohnes bei der italienischen Armee. Sie denkt ihn sich da ganz
allein und verlassen. Es ist ein wunderbares Geschöpf. Wo sie
wirklich Gemüt zeigt, das über die Phantasie hinausgeht, hat es
immer eine Beimischung physischer Weichlichkeit, die ich auch in
der Liebe an ihr bemerkte.

———
*) Karl Wilhelm Georg v. Grolman, geb. 1777, † 1843, damals
Generalstabsoffizier beim 2. Armeekorps, in der Schlacht bei Kulm, 30. August,
verwundet.
**) v. Wolzogen.

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