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[ Band 4: Überblick ]
Der Schwerpunkt von Humboldts amtlicher Tätigkeit lag in dem Verhältnis zu Metternich. Dieser sowie der furchtsame Kaiser Franz hielten Humboldt für ein Mitglied des preußischen Tugend- bundes, von kriegerisch revolutionärer Begeisterung erfüllt. Zu dieser Auffassung trug wohl auch Humboldts freundschaftliches Verhältnis zu Stein bei, das sich aus Humboldts Besuch in Prag im Sep- tember 1810 entwickelt hatte. In der Tat stand Humboldt der extremen Richtung des Tugendbundes durchaus fern, aber in an- derem Sinne hatte Metternich wohl recht, den neuen preußischen Gesandten zu fürchten. Humboldt, in der lauteren Hoheit seines Sinns, in seiner leidenschaftlosen Klarheit, seiner unermüdlichen Wachsamkeit und Arbeitskraft war ihm, dem Staatsmann der skrupellosen Unwahrhaftigkeit, wie er es selbst ausgesprochen hat, »der Furchtbarste von allen«. Die grundsätzliche Verschiedenheit ihrer Ziele wurde beiden Staatsmännern in dem Maße fühlbar, wie der Fortgang der Weltbegebenheiten ein positives Handeln erforderte: Metternichs Wünsche gipfelten darin, die Stellung Österreichs, mög- lichst ohne Kampf, zu erhalten, zwischen den Mächten zu vermitteln und Preußen nicht erstarken zu lassen; die Besorgnis vor Rußlands Übergewicht war in der Hofburg stets größer als der Haß gegen den französischen Unterdrücker. Ganz anders Humboldt. Wie die Scharnhorst, Blücher und Gneisenau keinen dauernden, gesunden Frieden für möglich hielten, ehe Napoleons Macht gebrochen war, so erkannte auch er mit un- erbittlicher Klarheit den Krieg als notwendig. Diesen durch ein Bündnis zwischen Preußen und Österreich vorzubereiten, war ihm die dringendste politische Aufgabe. Es ist von hohem Reiz, zu beobachten, wie trotz dieser latenten Gegnerschaft — Metternich scheute sich nicht, auch Privatbriefe Humboldts an seine Gattin auffangen und abschreiben zu lassen — die Gemeinsamkeit ihrer dialektischen und gesellschaftlichen Kultur VIII