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[   Band 3 Brief 207:    Humboldt an Caroline    Berlin, 10. Julius 1810   ]


hat mir nun geantwortet und die Sache aufs allertragischste ge-
nommen. Er versichert, eine ganze Nacht geweint zu haben. Ich
hoffe, es wird nicht so arg gewesen sein. Sonst sollte es mir leid
tun. Du mußt aber selbst gestehen, daß er sonst die Gloire des
Ausschlagens liebte und gar nicht unempfindlich gegen Anerbietungen
war. Eine Phrase hat mich sehr lachen machen. Er schreibt:
»Diplomatische Posten sind jetzt so wichtig eben nicht für das arme
Vaterland, und trotz Deiner großen Anhänglichkeit an den Sand,
in den Du mich versenken willst, gehst Du an das grüne Donau-
ufer. Du gestandest sonst selbst, man sei am patriotischsten ge-
stimmt, wenn man hinter den Alpen sitzt. Warst Du wirklich so
lange in Berlin, als ich nach meiner Rückkunft?«
Ich schreibe Dir mit Fleiß die Stelle ab, damit Du es mir etwas
Dank wissen mögest, Dich nicht an einen Ort zu bringen, der einen
solchen panischen Schrecken einflößt. In der Seelenangst verspricht er,
er wolle auf sechs Wochen nach Wien kommen, dazu habe er immer
Zeit. Mit unserer Versetzung scheint er sehr zufrieden und meint,
daß wir in Wien sehr glücklich sein würden. Der Brief hat mich
nebenher sehr amüsiert. Um nur nicht gequält zu werden, in die
Sandwüste zu gehen, tut er wie ein Kind, als könnte er gar keine
Geschäfte machen, als sei er ein ganz unbeholfener Gelehrter, kurz,
um sich tot zu lachen, wenn er es nicht so tragisch ansähe. Er
wird natürlich nicht kommen, und niemand wird ihm etwas darum
tun, das versteht sich von selbst. Mir tut es leid. Er hätte hier
den literarischen Dingen einen erstaunlichen Schwung geben und
auch in vielem anderen sehr nützlich sein können. Es schien mir
überdies glorios, daß er die Universität hier vollends organisierte
und dann nach Tibet reiste, wie jetzt sein Plan ist.
Weißt Du, liebe Li, daß ich gestern einen sehr frohen und
auch sehr schmerzlichen Abend zugleich gehabt habe? Du erinnerst
Dich, daß der blecherne Kasten verloren war, in dem Deine und

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