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[ Band 3 Brief 172: Humboldt an Caroline Berlin, 17. März 1810 ]
ich denke und empfinde, eben immer nur Du, und Du so gut und lieb bist, so ist mein tiefes inneres Glück auf ewig geborgen. Aber das Beste, was man in der Seele trägt, ist so himmelweit anders, als alles, was einen umgibt, daß allein das jene Wehmut hervorbringt. Ich bin unterbrochen worden, liebe Li, es waren viel Leute hinter- einander bei mir. Goethe schreibt mir jetzt von Zeit zu Zeit. Er hat mir sehr viel Hübsches von Deinem Briefe gesagt, an dem er große Freude gehabt hat. Es schreibt auch niemand so hübsch und so gemütvoll, wie Du. Es ist ein eigenes Talent, und es ist Unrecht, es ein Talent zu nennen. Es setzt die ganze Seele voraus, indes gibt es freilich Menschen, die gewissermaßen von Natur stumm sind, und wo die Seele nie voll, nie rein in den Ausdruck übergeht. In Deinem Schreiben ist noch mehr sogar. Man fühlt, wie im Schreiben selbst die Sprache auf Dich zurückwirkt, wie sie wieder Ideen und Empfindungen weckt, und diese lebendige Wechsel- wirkung ist es eigentlich, auf der die Kunst des Schreibens beruht. Ich habe in Erfurt unzählige Briefe von Dir in aller Art und aus allen Zeiten Deines Lebens gelesen, und sie sind mir unendlich merkwürdig gewesen. Alles Beste und Schönste, das Du jetzt hast, hat sich ganz früh in Dir geregt, es erscheint nur in ver- änderter Gestalt, manchmal mit einigem, aber nie großem, nie bindendem Einfluß der Menschen, die Dich umgaben. Es ist schmerzlich, daß mit Frauen alles Große, was sie und die Welt in ihnen ausbildete, gewissermaßen ungekannt hinstirbt. Seiner inneren und höheren Natur nach kann es selten mehr wie einer eigentlich erkennen; allen übrigen bleibt es entweder verborgen oder wird nur dunkel geahndet, und in vielen wird es selbst dem Einen, den nun das Schicksal gerade enger mit ihnen verknüpft, nie klar. Aber es ist auch wieder schön und gut. Das Höchste und Beste 359