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[ Band 3 Brief 164: Humboldt an Caroline Berlin, 16. Februar 1810 ]
nütz für die Welt und eigentlich verfehlt in ihrem ganzen Da- sein sind. Bei unserm Freund ist der Fall nun aber viel trostloser. Er hat kein Zentrum gefunden und kann keins finden, der wahre, tiefe, innere Mensch in ihm und andern ist ihm nie bis zur An- schauung klar geworden; und dabei hat seine Phantasie doch Stärke genug gehabt, um ihn ganz idealische Forderungen machen zu lassen. Er hat immer über sich selbst reflektiert, ist, trotz aller Genuß- begierde, nie im bloßen Genuß fortgegangen, ohne gleichsam sich umzusehen und den Genuß selbst wieder zu würdigen, er sieht also mit klaren Augen den Abgrund, in den er gefallen ist. Sehr charakteristisch ist auch an ihm seine Unkenntnis aller Kunst und die Abwesenheit dieses Genusses in ihm. Wer die Kunst, sei es auch nur von einer Seite, erfaßt, für den ist die Natur immer und ewig, und jeder einzelne Naturgegenstand immer reich, die Einbildungskraft immer unerschöpflich und das eigene Gemüt immer zur Annahme neuer Formen bereit. Es hängt damit alles andere zusammen, aber es ist von dieser Seite viel leichter, das andere alles zu erfassen. Ein anderer Weg, und der beste, leichteste und schönste für den, der Sinn hat, ist ihm auch entgangen, der durch Neigung zu Frauen. Das weibliche Gemüt, und ist es auch nur in wenigen Auserwählten wahrhaft groß, so waltet der Schein seiner wohl- tätigen Form doch in sehr vielen, enthält eigentlich in einem leicht zu fassenden Symbol alles, was vor solchen Irrwegen sichert. Er hat das nie gekannt, und doch wieder immer zu kennen gewähnt, wirklich auch die Besten oft glauben gemacht, er durchdränge sie ganz, weil seine Phantasie erriet, was in ihn nicht tiefer eindringen konnte. Ja, er hat sich sogar durch gewissen Umgang mit Frauen dafür gänzlich verschlossen. Denn es ist damit eine sehr zarte Sache, und es ist wirklich nur ein Glück, für das man dem 340