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[   Band 3 Brief 151:    Caroline an Humboldt     Rom, 3. Januar 1810   ]


nichts vorgefallen ist, doch dächte ich, gerade auf den Fall würde
wenigstens Zimmermann *) mir geschrieben haben, sie müßten denn
von der Idee geleitet gewesen sein, daß ich in solcher Entfernung
doch nichts helfen könne. Ich bin begierig, ob und welche Arrange-
ments Du mit dem Lehnsvetter wirst haben machen können. Ich
glaube, er hat ein sehr gewagtes Spiel gespielt, denn hätte Papa noch
ein Jahr gelebt, so ist wohl sehr wahrscheinlich, daß der code Napoléon,
der alle Lehnsanwartschaften ausschließt, in jenen Gegenden auch
eingeführt gewesen wäre. Es ist nicht glaublich, daß der Posseß
in Thalebra oder Auleben früher durch den Lehnsvetter, als durch
uns ergriffen worden sei.
Über Deine Dienstverhältnisse in Deutschland, liebster Wilhelm,
habe ich Dir letztens schon geschrieben. Ich will nur, was Du
willst. Ich weiß nicht, ob ich mich irre, aber ich glaube beinah,
Du wirst, wenn Änderungen in Berlin vorfallen, Minister werden.
Hier scheint es entschieden, daß die Kaiserin Josephine künftig
residieren wird. Auch trägt man sich mit anderen Nachrichten, die
ich aber nicht assekurieren will. Allein das Gerücht ist generell,
es werde der König von Neapel Gran Vicario dell Italia werden
und künftig großenteils hier residieren. In kurzem muß sich das
wohl auch aufklären. Was Du tun wirst, meine liebe Seele, wird
mir immer recht sein.
Gestern war ich auf Pietro in Montorio. Welche Aussicht
da war, welche herrliche Klarheit in den Fernen, vermag ich Dir
nicht zu sagen. Es rührte mich bis zu Tränen, daß die Erde so
schön ist und mit dem Himmel verschmilzt. Das Wetter fährt fort,
himmlisch zu sein. Wenn ich die Augen aufschlage, so erblicke
ich zuerst St. Peter im Sonnenglanz. Wie ein Gebild ans Himmels-
höhe auf die Erde zum Trost und Erhebung der Menschheit ge-
sendet kommt es mir vor. Das macht einen für den ganzen Tag

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*) Kammerdiener des Herrn v. Dacheröden.

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