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[ Band 3 Brief 100: Humboldt an Caroline Königsberg, den 1. August 1809. ]
worden, daß ich alles mit Erbauung gelesen habe; ich bin schon immer gerührt, wo ich den Namen Rom unten finde, und selbst eine sehr moralische Prosa, die mit zwei Ottaven schloß, die ich sonst nie angesehen hätte, von Alborghetti, bei dem der tugend- hafte Ernst immer ebenso langweilig wird, als er sonst amüsant ist, habe ich zweimal gelesen. Es geht mir darin wirklich wie einem Verbannten. Der uninteressanteste Mensch, das unbe- deutendste Blatt ist mir wert, wenn es aus der Heimat kommt. Kurz ich kann es nicht leugnen, auch dies Stammbuch, über das ich mich sonst unbarmherzig mokiert hätte, hat mich gerührt, und die Rührung ist bis zu einem Sonett gegangen, das ich Dir hier schreibe. Wie zu eines heil’gen Tempels Hallen an der Hoffnung schwesterlicher Hand Gläubige von weit entferntem Land, scheu, der Liebe nur vertrauend, wallen; Also zeichn’ ich meiner Töne Lallen schüchtern in dies Buch, wo, nah verwandt, von des Lemans und des Tibris Strand Teure Laute mir entgegen schallen. Sehnsucht, wehmutsvoll und schwer zu zügeln, hat beim Lesen mir die Brust durchbebt. Laß sie unsern Freundschaftsbund besiegeln, edler Fremdling! denn auch Dich belebt stets Verlangen nach den heil’gen Hügeln, um die ewig stille Größe schwebt. Du wirst Dich kreuzigen und segnen, teure Seele, daß diese Wut der Poesie mich hier am kalten Pregel (es war gestern eine schmähliche Kälte, wie in Rom im Januar) ergreift. Auch begreife ich mich selbst nicht. Es ist aber doch, weil ich reizbarer und unendlich wund gestimmt bin. Ich sitze oft stundenlang, kann mich oft dem Bette nicht entreißen, weil ich der Sehnsucht nach Dir, einzig teures Herz, nachhänge, und nichts als Deine Stube, Dein Sofa, die Kinder um Dich her vor Augen sehe, und mir 206