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[   Band 3 Brief 87:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 20. Junius 1809   ]


87. Humboldt an Caroline         Königsberg, 20. Junius 1809

Ich habe seit dem 10. Mai keine Briefe mehr von Dir,
mein teures Kind, indes hoffe ich, daß mehrere auf ein-
mal ankommen werden, und da Du damals schon aus-
fuhrst, so fürchte ich nicht mehr für Deine Gesundheit. Ich habe
schon zweimal von dem kleinen, für mich noch immer namenlosen
Jungen geträumt. Er war sehr schön, ich sah ihn, wie Ihr ihn mir
beschrieben habt, nur, wovon Ihr mir noch nichts gesagt, mit sehr
großen hellblauen Augen. Diese Nacht war er auch mit uns und
sprach schon. Das letztere, denke ich, soll keine Vorbedeutung sein,
daß ich ihn nicht eher, als bis er spricht, sehen werde. Die Zeit,
die uns noch trennt, scheint mir unendlich, und doch weiß ich nicht
einmal recht zu sagen, wie es mit Deiner Rückkunft wird sein
können. Alles hängt vom Kriege, seiner Dauer und seinem Aus-
gange ab. Es ist eine wahrhaft traurige und qualvolle Zeit.
Stell Dir vor, welch neues Unglück den armen Rittmeister *)
betroffen hat. Der ganze Hof seines Guts mit Wohnhaus und allen
seinen Habseligkeiten ist in einem Nachmittag abgebrannt. Alle
Wirtschaftsutensilien, bis auf das kleinste, alles Saat- und Brot-
korn und Pferdefutter liegt unter dem Schutt. Sie wohnen in
einem alten stehengebliebenen Hause in einer einzigen Stube und
Kammer, und haben, wie er ordentlich rührend hinzusetzt, mit
allen ihren Sachen jetzt Raum genug darin. Seine Nachbarn
haben sich, wie er rühmt, seiner sehr angenommen und ihm sehr
viel gegeben. Es ist schrecklich, diese Familie so untergehen zu
sehen und doch sehe ich gar nicht, was ich jetzt für sie tun kann.
Du weißt am besten unsre eigene wirklich bedenkliche Lage, und
was die Sache vorzüglich arg macht, ist der Mangel alles Kredits.

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*) Vgl. S. 107.

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