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[ Band 3 Brief 86: Humboldt an Caroline Königsberg, 16. Junius 1809 ]
entschieden haben, und wir werden sehen, wer von uns beiden zum andern kommt. Hier war vorgestern eine gräßliche Kälte und schon einige Tage vorher. In einigen Häusern heizte man wieder ein, und ich ging wieder beständig im Rock und Überrock. Heute indes scheint die Sonne und ist’s morgen unstreitig wieder drückend heiß. Doch ginge das noch an, wenn nur die Natur hübsch wäre. Sie ist’s freilich mehr, als in Berlin. Aber so gemein, lauter Bäume, Gras und Kräuter ganz konfus durcheinander gewachsen, ohne Form und Gruppierung. Es geht mir damit ebenso wie mit dem Volk, vorzüglich dem weiblichen Teil, den man auch hübsch findet, weil die Mädchen meist ungeheuer dicke Arme haben und wie Milch und Blut aus- sehen. Ich schlage immer wie der Zöllner an meine Brust, und lobe mir die Olivenfarbe mit Formen, wobei doch ein Mensch noch mehr als Fleisch und Bein denken kann. Freilich sitze ich aber aus Ärger über diese schlechte Natur auch immer in der Stadt und komme nie aufs Land hinaus; nur neulich war ich einen Nach- mittag bei Scharnhorst, der jetzt seiner Gesundheit wegen auf einem Dorfe wohnt. Es ist eins der hübschesten, in einer Art Laubwald, so wie die englischen Gärten — das hiesige Schönheitsideal. Der arme Mann ist seit einiger Zeit sehr kränklich, je mehr ich ihn sehe, desto mehr frappiert mich seine Ähnlichkeit mit Schlabrendorff. Den Prinz von Mecklenburg-Strelitz *) sehe ich meistenteils einen um den anderen Tag, aber da er den ganzen Tag bei der Königin ist, immer erst um 11 Uhr abends. Er ist noch ganz der alte, in allen Stücken, uns ist er unendlich gut und sehnt sich recht nach einer Antwort von Dir. Wunderbar ist mir’s gewesen, daß er in dieser ganzen verhängnisvollen Zeit auch keinen Schritt vorwärts getan zu haben scheint. Er ist sehr gut, sehr brav wirklich, auch ——— *) Vgl. S. 177. 182