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[   Band 3 Brief 74:    Humboldt an Caroline    Königsberg, 19. Mai 1809   ]


der der Alten näher, und könnte man wirklich wesentlich Orgel und
Gesang verbessern, so wäre schon unglaublich viel getan. Wenn
ich wieder nach Berlin komme, werde ich die Sache mit Eifer be-
treiben.
Was Du bei dieser Gelegenheit über mich sagst, ist sehr hübsch,
liebe Li, und Du bist ein närrisches Kind, wenn Du glaubst, auch
nur gewisse Tage minder klug zu sein. Es ist wirklich sehr wahr,
daß ich, um in eine Sache selbst mit einer gewissen Tiefe zu dringen,
mich ihres Geistes zu bemächtigen und ein sehr lebhaftes Interesse
für sie zu gewinnen, selten der eigentlichen Sensationen bedarf.
Aber ich kann das weder sehr gut, noch sehr liebenswürdig finden,
und (was gewiß kein übler Maßstab ist) ich wünsche es keinem
meiner Kinder. Man bringt doch auf diesem Wege wohl selten
mehr hervor, als sich voraussehen und berechnen läßt, da die
natürliche Wärme, das Feuer, das bloß und einzig aus dem un-
mittelbaren Einfluß des Gegenstandes auf die Empfindung ohne alle
Dazwischenkunft des Verstandes, ja selbst im ersten Kontakt der
Phantasie entsteht, wie das Genie wirkt, und auch das sonst nie
geahndete erzeugt. Einigermaßen fühle ich auch das selbst an den
Dingen, wofür mir die natürliche Empfänglichkeit weniger als nun
gerade für die Musik mangelt. In anderer Rücksicht aber ist freilich
auch eine Gesinnung oder auch eine Art zu denken, wie die meinige,
hierin ersprießlich und angenehm. Man kennt allerdings die Welt
und die Menschen ganz anders, man hat ein bei weitem mannig-
faltigeres Gefühl seiner eigenen Existenz, man ist gewiß, was in
einem Amt wie mein jetziges sehr wichtig ist, nie einseitig, und was
das allerwichtigste ist, man stellt sich immer in den allgemeinen
Mittelpunkt, von welchem aus alle Dinge ihr wahres Licht erhalten.
Denn sonst ist freilich der Mangel an Einseitigkeit nichts wert.
Es muß notwendig das damit verknüpft sein, daß man die Gabe
besitzt, auch den wahren und eigentümlichen Geist jeder Sache zu

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