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[   Band 3 Brief 8:    Caroline an Humboldt     Rom, den 10. November 1808   ]


die sie kennen. Mich ergreift oft, ich kann wohl sagen eine un-
aussprechliche Rührung, wenn ich das Kind ansehe, das alle Tage
lieber und inniger und geschickter wird. Werd ich sie wohl groß sehen?
Verzeih, wenn ich einen so tief schmerzlichen Gedanken vor Deine
Seele bringe, ich war alle diese Tage in einer unbeschreiblich ge-
rührten Stimmung — es sind auch die Krankentage meines ge-
liebten Gustav, und obgleich ich wohl sagen kann, daß das Bild
der geliebten Geschöpfe, die nicht mehr um mich sind, mir nie aus
den Augen weicht, so mahnt einen noch etwas eigeneres, wenn
die Jahreszeiten wiederkommen, wo sie einem gegeben und durch
ein unbegreiflich furchtbar Schicksal wieder genommen wurden.
Ach, daß die einzige heilige Gewalt im Leben, die Gewalt der
Liebe, nichts gegen die unwiderruflichen Gesetze der Natur kann!
Im Zerreißendsten liegt freilich auch wieder das Beruhigendste und
wehe dem, der den Schmerz scheut, er wird ihn nie besiegen lernen und
nie die Blüten brechen, die auf jenem Boden blühen. Mein un-
aussprechliches Leiden vom vorigen Jahre gibt mir einen eigenen
rührenden Genuß meines jetzigen Zustandes, einen solchen, wie ich
ihn noch nie hatte. Das Schicksal wird erbarmend sein und mir
alles Verlorene in diesem Kinde wiedergeben. Meine Gesundheit
ist leidlich, die Unbequemlichkeiten vermindern sich, was bleibt, trägt
man mit Geduld. Es ist nichts gegen die Belohnung, die am
Ende kommt. Es gibt ja doch nichts Schöneres wie Kinder, und
nichts Süßeres, als sie zu bekommen. Ach, wenn dieses nur lebt!
Ich kann mir denken, wie zärtlich Du heute und alle diese
Tage an mich gedacht hast, ich weiß ja wie Du so gut bist. Ich
muß mein armes Herz immer wieder berühren, obgleich es immer
neu blutet.
Papa meine Ergebenheit und Ehrfurcht.

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