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[   Band 3 Brief 6:    Humboldt an Caroline    München, den 4. November 1808   ]


die alte Ausgabe mehr. Also soll die meist stehen bleiben. Ich
habe wieder bewundert, wie richtig Dein Urteil ist.
Lebe wohl, liebe, teure Seele. Adieu!    H.


7. Humboldt an Caroline         Nürnberg, den 7. November 1808

Ich habe Dir, liebe Seele, am 4. von München aus zuletzt
geschrieben und bin seitdem gestern bald nach Tisch hier
angekommen. Der Himmel hat bisher unsere Reise un-
gemein begünstigt. Gestern war es ein so schöner Wintertag
als man wünschen kann. Wiesen und Felder von Reif weiß, auf
dem die Sonne in schönen Sternchen blinkte. Theodor findet das
wunderschön, die Felder hübsch bebaut, den Himmel nur um weniges
heller blau als in Rom — was man am eigenen Blute erleben
muß! Ich denke still an das Blinken der Sonne im Sommer auf
dem Glimmer im Sande in Albano und L’Ariccia. Ich empfinde
es recht lebendig, daß, wenn noch Deutschland etwas Anziehendes
für mich hat, es durch die Erinnerung an unsere vorigen, hier ver-
lebten Jahre ist. Ich denke mich bei den Gegenden, dem Himmel,
den Sonnenauf- und untergängen, die ich in Göttingen, Burgörner
und Auleben wie in Rom ungern versäumte, in jene Zeit zurück,
und die Umgebung wird mir teuer mit ihr. Dann beschäftigt mich die
Zukunft sehr ernstlich. *)
Ich weiß noch immer nicht, so unwissend ist man hier, ob
Stein **) abgegangen ist. Macht man mir im einen oder anderen
Fall noch Anträge, so gebe ich nur nach wenn ich muß, d. h. wenn

———
*) Es war Humboldt bereits in München zu Ohren gekommen, daß
man ihm die Sektion für Kultus und Unterricht im Ministerium des Innern
antragen würde.
**) Bekanntlich erzwang Napoleon im November 1808 den Abschied
des Ministers Stein, der nach Prag flüchtete.

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