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[   Band 2 Brief 119:    Humboldt an Caroline    Rom, 27. November 1804   ]


Freiheit mit der Notwendigkeit verknüpft, die innere gewaltig bildende
Kraft, die selbst den zerreißendsten Schmerz zur Quelle eines höheren
Lebens macht. Darum fürchte ich mich so gar nicht, mit Dir jede
Wunde frei und dreist zu berühren, Dir und mir ist die weichliche
Schonung verhaßt, die den Schmerz zu entfernen sucht, statt daß ihn
die Liebe mit Inbrunst ergreift. Mir ist nichts so schrecklich als das
allmähliche Verlöschen der Spuren eines solchen Unglücks; immer sehe
ich mit einem geheimen Schauder, so oft ich Wilhelms Grab besuche,
wie neues Gras darüber gewachsen ist, und ich kenne nichts Größeres
als die Verse, mit denen Kassandra im Agamemnon von der Bühne
tritt. Ich weiß nicht, ob Du Dich ihrer deutlich erinnerst. Es heißt da:
             O Menschenschicksal! — Was im Glücke hoch sich türmt,
             stürzt leicht ein Schatten nieder, und wo Elend weilt,
             da tilgt verwischend ein feuchter Schwamm hinweg das Bild.
             Vielmehr als jenes scheint dies mir jammernswert.
Ich sehne mich unaussprechlich nach Dir, liebes, holdes Wesen.
Wir werden uns gegenseitig gegeneinander nach so langer Trennung
einmal wieder aussprechen, und selbst im höchsten Schmerz werden
uns liebliche Gestalten umgeben. Der Tote ist nie unglücklich,
Wilhelm starb fröhlich und schmerzlos. Es kümmert mich tief, von
der kleinen Louise nichts zu wissen, ob sie litt, ob sie langsam starb
oder schnell hingehend. Wieviel werde ich Dich noch fragen, um
durch irgend eine anschauliche Vorstellung das kleine Geschöpf, das
mir nun ewig so fremd bleibt, an mich zu knüpfen. Adeln habe ich
nichts davon erzählt. Sie faßt noch nicht, daß man aufhört zu leben,
wenn man stirbt. Auch Wilhelm ist ihrem Gedächtnis entschwunden,
so oft ich auch mit Fleiß von ihm gesprochen habe.
Die Krankheit in Livorno scheint jetzt ungezweifelt das Gelbe
Fieber. Es ist mir freilich sehr fatal, ein so schreckliches Übel so
nah zu wissen. Allein ich kann Dir auch kaum raten, in Mailand
zu bleiben und zu warten. Bis jetzt ist hier kein Schatten von

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