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[ Band 2 Brief 113: Caroline an Humboldt [Paris], 30. Oktober 1804 ]
Wärme käme. Wir hatten Mut und Hoffnung und hofften, die Blattern würden in der Nacht hervorkommen. Um drei Uhr des Nachts hörte Louise auf zu saugen, ich fand sie übler aussehend, rief Kohlrausch in mein Zimmer. Das Kind schrie viel, und die Mühe des Atmens nahm mit jeder Sekunde zu. Ach Wilhelm, welche Stunden der Angst! Kohlrausch gab ihr zwei kleine Brechmittel, eins nach dem andern, sie wirkten nicht. Kurz nach sechs wurde sie ruhig, ich legte sie in meinen linken Arm, bot ihr die Brust, allein seit drei Uhr hatte sie diese nicht mehr genommen, sie schrie nicht mehr, das Atmen wurde schwächer und schwächer —— um sieben- einhalb Uhr verschied sie ohne Zucken, ohne Röcheln —— bloß um die Augen war ein krampfhafter Totenzug. So ist sie von uns gegangen und hat eine Öde um uns gelassen, eine Leere, vor der ich zurück- schaudere. Wie hatte ich mich ganze Stunden, Tage lang an dem Ge- danken ergötzt, ich würde sie blühend zurückbringen, freundlich und mit holden Liebkosungen würdest Du und Adelheid und Gabriele sie empfangen und von dem himmlischen Reiz sich gerührt fühlen, der in ihren Augen lag. Aber die Augen sind starr, und das ganze lieb- liche Wesen kalt und hart wie Marmor! Ich bringe nichts als mein tief zerrissenes Herz, das sich herzlich an das Deine sehnt. — Ach, ich weiß, was mir bleibt, und mein Leben wird Euch gehören — aber der tiefste Schmerz um Wilhelm und Louisen kann nicht entweichen. So fern liegen die süßen Geschöpfe auseinander, die doch ein Schoß getragen und eine Brust ernährt hat! Sind sie zusammen, und wird der Tod uns einst alle wieder vereinen? Lebe wohl, Ge- liebter, ich breche hier ab, unvermögend, etwas mehr hinzuzufügen. Ich sehne mich unaussprechlich nach Euch und kann nur etwas, was Ruhe ähnlich ist, bei Euch wieder finden. O, fürchte nichts für meine Fassung. Ich habe deren genug und finde mich im zerreißendsten Schmerz noch immer so besonnen, daß ich mit Entsetzen oft denke, 272