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[   Band 2 Brief 100:    Caroline an Humboldt   [Paris], 3. September 1804   ]


er nicht ausgebeten ist, so ißt er bei mir. Auf seine Reisegefährten
habe ich mich nicht eingelassen, sie zum Essen zu haben, aber Alexander
nimmt vorlieb. Er ist unendlich zärtlich mit mir. Gegen Kohlrausch
ist er die Freundlichkeit selbst. Heute schreibt er an den König, und
darum wird er Dir schwerlich schreiben können; er hat sich entschlossen,
eine seiner Kollektionen nach Berlin zu schicken. Er rechnet noch wie
ehemals beständig sein Vermögen durch, und nach seinen Rechnungen
hat er immer nichts ausgegeben. Aber ich meine doch, es muß anders
sein. Schreibe ihm ja einen ernsthaften Brief über seine Lage, wie
Du sie ansiehst; er hat doch im Grunde des Herzens einen tiefen
Respekt vor Dir. Alexander beschwört mich, hier zu bleiben und
mit ihm zurück nach Rom zu gehn. Allein es dauert mir zu lange,
und ich kann mich nicht entschließen, vier Monate später bei Dir zu
sein. Alles, was ich zugeben kann, ist noch ein wenig in den Oktober
hinein. Die Rückreise denke ich in drei Wochen zu machen. Von hier
nach Lyon mit dem Velocifère ist eine Sache von drei Tagen, und da
bin ich Dir schon ein Stück Weges näher. Ach, Lieber, man ist nie in
einer sonderbareren Stimmung gewesen, man ist nicht lieber in Paris
als ich, aber man geht auch nicht lieber nach Hause zurück als ich.
Ich weiß nicht, ob ich Dir schon geschrieben habe, daß wir den
Lacondamine *) für drei Francs haben. Corai hat mir den Heliodor **)
in zwei dicken Bänden für Dich zugeschickt. Clavier kommt zuweilen
auch zu mir. Villochin hat im Institut versichert, daß ich die ge-
lehrteste Frau wäre, die er kennte, und wer wüßte, ob es in Paris
noch einen ebenso griechisch gelehrten Mann gäbe. Das ist doch ein
unverdientes Lob. Adieu, Geliebter. Tausend Küsse den Kindern.
Gott, wie verlangt es mich, sie und Dich wiederzusehen.

———
*) Reisender und Mathematiker. — **) Griechischer Grammatiker des
1. Jahrhunderts n. Chr.

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