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[ Band 2 Brief 67: Caroline an Humboldt [Erfurt], 29. April 1804 ]
ruhigendes. Die Staël macht sich beinah Vorwürfe, weggereist zu sein, obgleich sie ihrem Vater zweimal von unterwegens geschrieben, sie wolle zurückkommen, wenn er nur im geringsten sich leidend fühle. Er hat sich aber wohler gefühlt wie je, sie gebeten, ihre Reise recht zu benutzen und sich angenehm zu machen, und hat nur drei Tage eigent- lich zuletzt gelitten. Sie war ganz von ihrem Verlust zerrissen und wiederholte mir immer, wie sie ein ganz anderes Verhältnis mit ihm gehabt hätte als das, was gewöhnlich Vater und Kind untereinander hätten. Nichts auf Erden sei ihr so teuer gewesen. Von Dir sprach sie mit vieler Liebe und Anhänglichkeit. Ich sagte ihr, wie ich glaubte, Du habest ihr auf ihren Brief aus Frankfurt geschrieben; sie aber versicherte, keinen Brief von Dir seitdem bekommen zu haben und zu wiederholten Malen sagte sie, es verlange ihr sehr danach. Sie geht nun nach Coppet und denkt eineinhalb Jahr dort zu bleiben und künftigen Herbst über ein Jahr nach Italien zu kommen. Sie wollte bloß mit Dir und Melzi *) leben, sagte sie. Gegen mich war sie sehr freundschaftlich. Sie hat ihre Tochter und den älteren ihrer Söhne August bei sich und hat August Wilhelm Schlegel auf ein Jahr als Hofmeister zu ihren Söhnen genommen. Sie schien sehr eingenommen von der Art, wie er sich bei ihrer schnellen Abreise aus Berlin und den obwaltenden Umständen genommen und auch von seinem Verstande. Überhaupt schien sie von Deutschland zu- frieden, doch kamen einige ungeheuer französische Äußerungen, wie z. B. Bonaparte habe sie von Paris verwiesen, »l’irritation que cette injustice m’a fait éprouver«, sagte sie »me donna le désir de voyager pour établir ma réputation dans d’autres pays«. Von der Staël ging ich zu Goethe, der mich in seinem Garten er- wartete, sehr lieb und gar nicht ceremonieus aufnahm. Die Helwig, geborene Imhof, kam hin, mich zu sehen. Als wir uns umarmten, sagte ——— *) Vizepräsident der italienischen Republik, lebte in Mailand. 153