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[   Band 2 Brief 64:    Caroline an Humboldt     Erfurt, 18. April 1804   ]


und wer weiß, was geschieht, wenn wir lang genug leben sollten,
um daß die Kinder etabliert und von uns getrennt wären. Du
hast es mir aus der tiefsten Seele geschrieben, wenn Du in Deinem
Briefe sagst, es komme nicht darauf an, glücklich zu leben, sondern
bloß darauf, alles Menschliche zu erschöpfen und sein Schicksal zu
vollenden. Geahndet habe ich es immer und es auch einmal, ich glaube
in einem Brief an Burgsdorff, ausgesprochen, aber tiefer und ganz,
ganz hab ich es seit unsers Wilhelms Tod empfunden. Die Tiefe
und Unendlichkeit des Lebens hat sich seitdem vor mir aufgetan,
und das Großmenschliche erblüht, ersteht, wie soll ich sagen, gewiß
und einzig nur da, wo das Individuum sich weder im Genuß des
Glücks noch des Schmerzes schont.
Lebe wohl, mein geliebter, bester Bill. Ach, hätte ich Dich
doch einen Augenblick um mich und die lieben, kleinen Mädchen!
Die Kinder grüßen. Theodor war furieus, daß Du ihm nicht ge-
schrieben hattest. Er hat sich über eine Stunde wie wütend herum-
gewälzt und immer laut schluchzend geschrien: »es ist unrecht, es
ist unrecht«. Addio.


65. Humboldt an Caroline              Rom, 21. April 1804

Endlich, liebe, teure Li, habe ich einen Brief von Dir mit
letzter Post, am 17., bekommen und weiß, daß Du in
Augsburg gesund mit den guten Kindern angekommen
warst. Daß es in Deutschland kalt ist, glaube ich gern. Es ist
es sogar noch hier. Wir haben einen schrecklichen Frühling. Immer
Sturm! oft Regen. Doch scheint nur die Sonne, wie sie doch jeden
Tag fast tut, einige Stunden, so ist jetzt wieder der schöne Orangen-
duft da und die ganze Atmosphäre ein Wohlgeruch.

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