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[   Band 2 Brief 50:    Humboldt an Caroline    Bordeaux, 6. Junius (16 Prair.) 1801   ]


Brun *), mit der Frau v. Humboldt von jenem Tag an eine herzliche Freund-
schaft verband.
Humboldt fiel es nicht schwer, sich in Rom eine ganz einzigartige Stellung
zu machen. Bei der Duldsamkeit seiner Gesinnung und der feinen Klug-
heit seines Wesens boten sich ihm auch politisch nicht allzugroße Schwierig-
keiten. Der Kirchenstaat hatte unter den Feindseligkeiten Frankreichs schwer
gelitten und empfand das augenblickliche Nachlassen derselben nur als einen
Waffenstillstand. Dagegen erschien Preußen, wenn auch protestantisch, als
die friedliebende Macht, zu schwach, um zu schaden und bedroht von dem
gleichen Feinde, deshalb schon fast befreundet.
»Tausend Mangelhaftigkeiten als Leben des Tages« bot damals Rom.
Ungeheure Abgaben drückten das Volk, zahlte doch Pius VII., der zwar für
sich und seinen Hof keinen Aufwand trieb, monatlich etwa 90000 Taler an
Frankreich. Bei der entsetzlichen Teuerung, ja geradezu Hungersnot im Kirchen-
staat war das Wirtschaften und Haushalten nicht leicht, aber Caroline ver-
stand auch hier wieder wie in Paris ihr Haus zum gesellschaftlichen Mittel-
punkt zu machen. Den Künstlern vor allen wandte sie das feinste Verständnis
zu, ging auf künstlerische Ideen nicht minder als auf die kleinen Nöte des
täglichen Lebens ein. Und wie sie hier wie dort fördernd und helfend ein-
griff, entfaltete sich dabei ihr eigenes Wesen: immer reicher und freier.
Was Humboldt Rom dankte, sagt er uns wieder und wieder in seinen
Briefen, bestätigt sein späteres Leben. Rom vollendete seine Bildung, es
hob die innere Entwickelung Carolines auf eine neue Stufe. Es gab beiden
unendlich viel, aber es nahm ihnen das Teuerste: den ältesten, schönsten, ge-
liebtesten Sohn. Und mit dieser nie vernarbenden Wunde empfingen sie die
Weihe des Schmerzes, des »Einheimischseins in zwei Welten«.
Einige Zeilen aus L’Ariccia, wohin sich Caroline mit den Kindern begeben
hatte, um der Sommerhitze zu entgehn, sind die einleitenden Akkorde einer
großen Sinfonie des Schmerzes, die für das Elternpaar anhebt und von
nun an alle Briefe durchklingt.


51. Caroline an Humboldt                 [L'Ariccia], 14. August 1803

Wir haben Wilhelm kränker gefunden, als wir es erwarten
konnten, und es wäre unmöglich, ihn heut oder morgen
zu transportieren, lieber Humboldt. Also bleiben wir, und
Kohlrausch wird mich nicht verlassen, bis er außer Gefahr ist. Auch
Theodor haben wir krank gefunden, doch läßt sich bis jetzt nicht

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*) Siehe »Römisches Leben«, von Fr. Brun und »Gabriele v. Bülow«.

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