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[ Band 2 Brief 42: Humboldt an Caroline S. Sebastian, 30. April 1801 ]
aufgefunden, das vermutlich gleich nach dem Cantabrischen *) Krieg, also etwa 10 Jahre nach Christus, gedichtet ist. Es hat einen eignen Ton der Stärke und ist etwas durchaus Neues. Dieser erste Tag, wo wir eigentlich in spanischen Posadas **) waren, hat Bokelmann ganz in Verzweiflung gesetzt. Stell Dir nur vor, wie es ihm gegangen ist. Wir ritten um fünf Uhr aus ohne zu frühstücken und wollten nun in jedem Hause Milch finden. Aber Milch war nicht zu haben. Wir kamen endlich, so um zehn Uhr, nach Zaranz, wo ich einen Brief an einen gewissen Carrol hatte. Im Wirtshause war nichts als Sardellen und Öl. Wir gingen also heißhungrig zu dem Carrol. Wir fanden einen wahren spanischen Landedelsitz. Ein Haus, wie ein Kloster gebaut, das Wappen in Stein gehauen über der Tür. Der Mann war nicht gleich da, die Frau empfing uns, sie mochte 40 Jahr und mehr sein, war aber gewiß sehr hübsch gewesen, sie war ganz bürgerlich wie eine Haus- hälterin angezogen, nahm uns aber mit der Höflichkeit und so ohne alle Verlegenheit auf, wie Du es in Spanien kennst. Sie führte uns in einen großen, reinlichen Saal mit einer feinen estera ***) mit Bildern, Porträts aller Vorfahren, einige von Velasquez, aber weiße Wände mit Strohstühlen. Wir mußten uns an der Wand niedersetzen, wie Du es kennst. Ich war trotz des Hungers außer mir vor Zufriedenheit. Ich habe einmal eine Passion auf alte Land- schlösser und war nie so in ein eigentlich spanisches gedrungen. Man bietet uns etwas an, ich bitte um Schokolade, man bringt uns zwei leere Teller, Bokelmann drehte seinen immer herum, und ich konnte das Lachen kaum lassen. Nun kommt gar Wasser mit Zucker, er sah mich ganz wehmütig an, und als er sah, daß er essen müßte, aß er den Zucker und würgte das Wasser hinein, und so ging es fort. Zu Mittag kamen wir in ein Wirtshaus. Die Leute boten ——— *) Die Cantabrer wurden 25——19 v. Chr. von Augustus besiegt. — **) Wirtshäuser. —— ***) Schilfmatte. 90