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[   Band 2 Brief 39:    Humboldt an Caroline    Orleans, 20. April 1801,  9 3/4 Uhr morgens   ]

39. Humboldt an Caroline        Orleans, 20. April 1801,  9 3/4 Uhr morgens

Wir sind erst in diesem Augenblick hier angekommen, meine
liebe Li, und ich schreibe Dir in derselben Stube, wo Du
mit den Kindern schliefst. Wir haben eine sehr schöne
Nacht gehabt, es waren göttliche Sterne und die Milchstraße wie
eine lichte Wolke. Bokelmanns *) Kabriolett läßt sich beinahe hermetisch
verschließen, und er scheint die Ökonomie mit der Luft recht gut zu
vertragen. Es hat uns also gar nicht gefroren. Mit dem Gelde
fing er ein eignes Treiben an. Er hing einen offenen Sack mit
Laubtalern in die Wagenecke, und da wollte er nur immer so nach
Belieben herausnehmen. Aber da ὀρίδη μοὶ φίλον ἦτορ, **) ich habe
also die Rechnung übernommen, und so denke ich, soll es leidlich
gehn. Wir haben viel die Nacht gesprochen, und er gefällt mir
immer mehr. Er hat viel über Dich und recht hübsche Dinge gesagt.
Er hat Dich sehr einfach, aber sehr wahr gefühlt, und was sein Reden
über Dich und andere Frauen individueller macht, so hat er immer
selbst dabei Familienverhältnisse im Kopf und sucht gleichsam das
Ideal, was er für sich finden möchte. Ich habe darin wieder die Be-
rührung deutscher und wirklich edler Charaktere bewundert. So vielen,
denen es sonst nicht an Geist fehlt, geht mein Kind so still und fast
unbemerkt vorüber, aber wer Natur und Empfindungsgehalt hat,
wird auch immer wie durch eine einzige Erscheinung dadurch gerührt.
Wir haben viel, bis zehn Uhr hin, über den Einfall gespaßt, daß
wir noch zum Tee zurückkommen könnten. Bokelmann meinte, das
wäre das Genialischste von allem, wir fanden es aber doch zu sehr so.
Grüße alle, vor allem Schlabrendorff.***)

———
*) Georg Wilhelm Bokelmann war Kaufmann und ging nach Cadix,
um dort ein Geschäft zu übernehmen. — **) Es bewegte sich mir das liebe
Herz (Homer). — ***) Graf Gustav Schlabrendorff, geb. 1750, gest. 1824,
lebte in Paris und war mit Caroline in enger Freundschaft verbunden.

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