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[ Band 2 Brief 26: Humboldt an Caroline Berlin, 2. Mai 1797 ]
nur einiges, wie es mir einfällt. Auch ist meine Zeit heute nur kurz. Ich wohne im Krauseschen Hause am Gendarmen-Markt mit Kunth zusammen in einer großen Stube, und um mich her stehen Möbel von Mama, alle Wäsche in großen Kisten, ebenso das Silberzeug, die Bilder aus der Eßstube usw. usw. usw. Kunth hat nämlich das ganze Haus in der letzten Woche von allen Möbeln ausgeleert, darüber mag nun freilich manche Kleinigkeit eingebüßt sein. Viel kann es jedoch nicht betragen. Einige Möbel hat der Rittmeister *) noch angenommen, die übrigen, bis auf einige, sind verkauft für 10—15 % über die Taxe, hingegen alle Wäsche, Pretiosen, Porzellane, Silber und die großen Spiegel und Kronen sind noch da, so daß doch keine Hauptstücke fehlen. — Mit welchen Empfindungen ich in das Haus getreten bin, kann ich Dir nicht sagen. Wo Du wohntest, sind schon alle innern Wände eingeschlagen. Von da ging ich hinauf, wo ich es ebenso fand, und als ich durch meiner Mutter ihre Schlafstube in die Garderobe durchgehen will und die Türe öffne — so sehe ich mit einem Male es vor mir steil bis in den Hof hinuntergehn. Das ganze Seitengebäude ist näm- lich schon eingerissen. Recht lebhaft fiel mir aus Goethes Hermann ein: »Denn die Wand war gefallen usw. usw.« Ich habe doch so lange in diesen Stuben gelebt, es ist mir erstaunlich fremd, so allein und in einem andern Hause hier zu sein. Bei der Levi bin ich gewesen und habe mich herzlich gefreut, sie wieder zu sehen. Sie sieht wohl und heiter aus, hat sich un- aussprechlich nach Dir erkundigt und bedauert unendlich, Dich nicht zu sehen. Sie war allein mit der Schwägerin. Sie ist ordentlich betrübt über das Einreißen unsres Hauses; jeder Stein, sagt sie, tut ihr weh. Verzeih das Gewirre von Sachen. Aber Du hast das lebendige Bild meines Kopfes. Könnte ich Dir nur auch ein Bild der Leere ——— *) Humboldts Stiefbruder v. Holwede. Vgl. Bd. I. 48