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[ Band 2 Brief 17: Humboldt an Caroline Erfurt, 5. April 1797 ]
Alter sich voneinander scheiden, und nirgends erscheint dies schöner als in dem Moment, wo die Jugend und die Reife gleichsam noch miteinander streiten, wo sie noch länger oder kürzer nebeneinander fortgehen, und wo alle Vorzüge der mannigfaltigen Stufen des Alters sich auf Einen Augenblick zugleich zusammendrängen. Gerade in diesen Moment, dünkt mich, fällt die jetzige Periode unseres Lebens, und die verschiedenen Gefühle, die aus der Vergangenheit und der Zukunft entspringen, verschlingen sich unter uns um so schöner, da Du mir so offenbar mit schönerer und frischerer Jugend vorangehst. Darum sagte ich erst, daß ich dies den Augenblick nennen möchte, in dem wir uns einen neuen und vielleicht volleren und dauernderen Genuß als je bisher verschaffen können. Auch darum sehne ich mich so herzlich, Dich, teures, liebes Wesen, einer völligen Gesundheit zurückgegeben zu sehen, ich weiß, weiß es leider aus Erfahrung, wie sehr Du es verstehst, auch durch bedeutendere Übel gestört, Freude zu geben und selbst sogar zu empfangen, wie Du nie einen Augen- blick unmutig oder verdrossen wirst, wie Du gerade die schönste und edelste Art der Geduld übst, die das Übel selbst gleichsam vergessen macht; aber das ist es eben, was ich gern auslöschen möchte, das eigentlich das Neue, was ich unserem Leben verleihen zu können wünschte, daß nichts den vollen, reinen, heitern Genuß stören sollte. Ich fühle es lebhaft, daß unsere innere Stimmung das fordert und vorbereitet; Du kennst mich zu sehr, wie ich alles nur von selbst entstehen zu lassen gewohnt bin, um zu glauben, daß ich auch nur einen willkürlichen Wunsch in mir dulden könnte; aber Du hast es selbst, als wir ein paarmal darüber sprachen, bemerkt, daß in Deinem Innern sich leise Übergänge zu neuen und gleich schönen Entwickelungen vorbereiten; Du hast bemerkt, daß Du selbständiger, weniger gleichsam eines fremden Wesens bedürftig bist als sonst, und früher einmal — einen Nachmittag an Deinem mittelsten Fenster —, daß Du jetzt freier reden kannst, daß es Dir gelingt, Dich noch klarer 32