< zurück      Inhalt      vor >                                          
[   Band 2 Brief 17:    Humboldt an Caroline    Erfurt, 5. April 1797   ]


17. Humboldt an Caroline               Erfurt, 5. April 1797

Tausend Dank, teure Li, für Deinen liebevollen Brief, der
mir unendliche Freude gemacht hat. Daß aber der fatale
Krampfhusten Dich wieder plagt, schmerzt mich unendlich,
sorge ja, daß er bald vorübergeht. Ich reise heut nachmittag von
hier ab, und es ist mir, als wäre ich um viel näher an meiner
Rückkunft zu Dir und den lieben Kindern, obgleich erst die Hälfte
der Zeit meiner Abwesenheit verflossen ist. Ich kann nicht sagen,
daß ich meine Tage hier angenehm verbracht hätte, es war mir
nicht möglich, etwas zu tun, und an Amüsement war fast noch
weniger zu denken; indes war es mir doch eine wehmütig süße
Erinnerung, in der Stube zu wohnen, in der Du so lang und im
ganzen so freudenlos gelebt hast, die Gegenstände zu sehen, die Dich
so lange umgeben haben. Unendlich oft ist es mir hier so lebhaft
geworden und hat mich so innig gerührt, daß Du doch, Du armes
Kind, im ganzen noch recht wenig Freude genossen hast. Deine
frühere Jugend ist Dir unter unaufhörlichen Unannehmlichkeiten ver-
flossen, und seit wir miteinander zusammen leben, bist Du zwar
gewiß —— ich fühle es gewiß lebhaft, weil es mir unmöglich wäre,
ohne dies Gefühl zu leben — recht glücklich gewesen, aber so viele
Störungen haben doch den reinen und ungetrübten Genuß unter-
brochen. Indes rechne ich sicher darauf, daß von jetzt an Dir das
Leben noch heiterer und freier verfließen soll. Eine Menge zwar
in sich immer süßer, aber doch beunruhigender Mühseligkeiten sind
überstanden; wenn der kleine Theodor erst seinen Geschwistern nur ein
wenig nachwächst, so nähert sich mit jedem Jahre die Zeit, wo man
die Früchte der verwandten Sorgfalt erntet. Das stille Zusammen-
leben, ungestörte häusliche Zufriedenheit, und vor allem das schöne
Verhältnis zu den Kindern, alles dies gibt, je länger es fortdauert,
desto mehr Ruhe und Fähigkeit zum Genuß. Denn diese Stimmung

                                                                       30