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[ Band 2 Brief 4: Humboldt an Caroline Falkenberg, Montag, 23. Julius ]
faßt er mich mit einer Wahrheit, die ich nicht auszudenken vermag. So ist mir’s, vor allem mit Homer, oft gegangen. Ich habe erst fortleben, mich selbst mit neuen Wahrnehmungen, neuen Gefühlen bereichern müssen, ehe ich den tiefen Sinn völlig auffaßte. Es ist jetzt ungefähr Mitternacht, nun denk ich mir, daß die kleine Li schreit, daß Du sie aufnimmst und wäschest. Ach, was macht der liebe, holde Narr? Ich dachte erst, ich würde heute Briefe von Dir haben können, nun ist mir aber eingefallen, daß erst acht Tage verstrichen sind, und gar, wie ich glaube, der Tag meiner Abreise Posttag war. Muß nun wohl bis zum Freitag warten, will ruhig sein, liebes Herz, wenn Du nur meine Briefe recht regelmäßig be- kommst. Greife Dich auch ja nicht zu sehr an, mir zu schreiben, bleib nicht länger auf drum, schone Dich ja recht sehr, will mit so wenigen Zeilen so glücklich sein. Mußt auch ja nicht denken, daß mich ängstige. Ich weiß, daß Kind nichts begegnen kann, Lili *) schrieb es mir sonst gleich. Das war sonst nicht, und darum ängstigte ich mich auch sonst wohl manchmal. Nun schlafe wohl, mein süßes, liebes Kind. Nimm die innigen herzlichen Küsse, gib kleinem Wickelnarrn auch und lebe wohl, o so wohl! Grüße Lili. 5. Caroline an Humboldt [Rudolstadt], Dienstag, 24. Julius [1792], abends um 11 Uhr. Noch einen Gruß meinem Bill, eh ich mich niederlege, ach könnt ich in ihn alle die Sehnsucht hauchen, die mir die Seele füllt. Gott! wie war mir’s wieder den Abend! Wir waren mit den Prinzessinnen und der Mama **) nach Cumbach ——— *) Caroline v. Beulwitz. Vgl. Bd. I, S. XIX—XXII. — **) Caroline v. Beulwitz’ Mutter, Frau v. Lengefeld, Oberhofmeisterin der Rudolstädter Prinzessinnen. Vgl. Bd. I, S. XIX—XXII. 10