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[ Band 1 Brief 160: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 2. Juni 1791 ]
160. Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 2. Juni 1791 Ich komme nach Hause, verloren in meine Empfindungen. O, wärest Du da gewesen, geliebtes Wesen, hätte mein Herz an dem Deinen gezittert und all dieser wonnereiche Schmerz sich ausgegossen über Deine Seele. Es war bei Dalberg ein Künstler auf der Harmonika — nein Wilhelm, mein Wilhelm, man hat nie so etwas gehört. Es war nicht die Neuheit des In- struments — ich kannte es — aber die unbegreiflichen Töne, die er ihm entlockte — man vergaß, wo man war, und sich und die Welt, aber der trunkene Geist genoß ein lichteres Dasein — ach, es schwebte die Seele auf dem schwellenden Strome ewiger Har- monien — dieser Gesang der Liebe zog sie in andere Sphären hinüber wie zur süßen, langersehnten Heimat — vergib, wenn ich schwärme, aber unaussprechlich ist das tiefe Gefühl, mit dem diese Musik mich ergriffen. Ich setzte mich vor das Instrument, wie der Künstler aufgehört hatte, und griff einige Akkorde, er war äußerst verwundert darüber und sagte, ich würde es sehr bald lernen -— ich würde es auch lernen und ohne Lehrer; das wenige, was die Fingersetzung betrifft, hat keine Schwierigkeit, wenn man das Klavier zu spielen weiß, und über alles andre kann nur die Emp- findung bei diesem Instrument Lehrer sein und ein unnennbares Verschmelzen unsres innern Wesens in die himmlischen Töne. — Er war ein guter Mensch, der es spielte — eine sanfte, feine Physiognomie. Verzeih, wenn ich nichts mehr sagen kann — der Widerhall dieser Melodien wallt noch um mein Ohr — ich will mich nieder- legen, vielleicht schlummre ich so fort, und es erscheint mir Dein geliebtes Bild. Gute Nacht, mein Geliebter. Freundlich glänzen die Sterne am Himmel. Wo ist mein Bill? — 476