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[ Band 1 Brief 157: Humboldt an Caroline [Tegel], Dienstag abend, 24. Mai 1791 ]
der Moment der Trennung von dem glücklichen sein, der uns wieder vereint. Kann es mir so kaum denken, daß es noch eines Wollens bedurfte, um nicht einer ohne den andern zurückzubleiben. O! Lina, nur durch dies eine Gefühl leben wir ja, nichts vermag mehr unser Dasein zu fristen, wenn dies eine geraubt ist. Gern und oft weil ich bei dieser Idee, lieber noch jetzt als ehemals, so unzertrennlich fest auch sonst süße Wehmut mich an sie fesselte. Aber jetzt sind wir ja vereint, wenn der Augenblick erscheint, jetzt empfängt ja mein Herz Deinen letzten Hauch, und in dem sehnen- den Kuß scheidest Du von mir. Ich kann kein Schicksal mehr fürchten, Li, wenn ich bei Dir bin. Wie ich keine Freude kenne ohne Deine Gegenwart, so ist mir auch mit Dir jedes Unglück fremd. Wenn er nur erst gekommen ist, der schöne Tag, der uns auf ewig verbindet, wenn ohne Furcht der Trennung ungestörte Freude Dich durchglüht, welch ein neues, sonst unbekanntes Dasein entspringt dann für Deinen Bill! Und welches für Dich, meine Li. Denn daß Dein Herz gleiches Entzücken schwellt, das über- strömt mich mit zwiefach wohltätigem Segen. Wie ich Dich oft sah, wenn ich bei Dir war, mit dem Blick jedes befriedigten Sehnens, mit dem segnenden Lächeln, so werd ich Dich nun immer erblicken, und jedes frohe Gefühl wird doppelt schöner und höher werden mit jedem Tage, der uns länger vereint. Denn mit jedem Tage wird ja jeder noch inniger in den andern übergehn, was wir keiner Vermehrung mehr fähig halten, wird wachsen und emporblühen, und diese ewige, immer jugendlich neue Liebe wird unser Wesen vertrauter machen mit den lauteren, schleierlosen Gestalten der Wahrheit und Schönheit. Ihr lichtes Bild wirst Du mir erscheinen in dieser Endlichkeit, sie werd ich umfangen in Dir, und Segen von ihnen wird Dein glückliches Dasein auf mich niederströmen. Ach, Li, die Sprache verstummt vor dem Entzücken dieser Gefühle, laß mich schweigen, laß mich ans Fenster gehn und Dein Bild 470