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[ Band 1 Brief 150: Caroline an Humboldt [Erfurt], 6. Mai 1791, Freitag abend ]
nicht dem Gedanken entsagen, so einsam, so einzig nur einer für den andern zu leben. O, laß uns dies höchste Dasein der Liebe genießen, für das unsre Wesen hervorgegangen sind, laß mich Deine Seele zu dem Genuß übermenschlicher Seligkeit heben, daß wir jenseits die Blüten unverwelklicher Schönheit brechen, zu denen diese Momente den segensvollen Keim trugen. Kurz hinblühend ahndest Du das Glück, das nun bald, bald unser ist — o, aus meinem Innersten hast Du sie geschöpft, diese Ahndung — sie geht schwester- lich der eines nie ausgesprochenen, nie genossenen Glückes zur Seite. Licht und immer lichter wird mir die Gewißheit, daß ich Dich wiedersehen werde, und die fernere Zukunft flammt mir auf wie die Morgenröte eines hellen Tages. Ich gehe nun in Dein Zimmerchen. Einsam mit Dir versenkt sich mein Herz tiefer in die schmerzlichste Wonne. Lebe glücklich und ruhig, angebetetes Wesen. 151. Humboldt an Caroline [Berlin], Mittwoch abend, 11. Mai 1791 Ich spreche jetzt fast immer mit Mama von unsrer Heirat und unsrem Etablissement, und nur Du vermagst es zu fühlen, wie unendlich wohltätig mir auch das kleinste Er- wähnen dieser einzigen Zukunft ist. In jedem der kleinsten täglichen Verhältnisse denk ich mir Dich, und in jedem erscheinst Du mir in der bezauberndsten Schönheit holder Gestalt. . . . Kein Dasein vermag uns je zu trennen. Bleiben ja ewig eins, bleiben ewig miteinander, und höher wird der Genuß, der solchen Seligkeiten entkeimt. O! Lina, wie hast Du mein Wesen umgeschaffen, welche Begeisterung dem wahrheitforschenden Geiste, welche Tiefe der Empfindung, welche Größe und Wärme meinem 452