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[   Band 1 Brief 149:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 2. Mai 1791, Montag abend   ]


tiefe Gefühl, daß Dein Glück Dir einzig und ewig von mir käme
— ich wagte es nicht, sie anzunehmen — o, woher hab ich den
Mut genommen, mich Dir zu nähern, großes, göttliches Wesen -
welcher Gott sandte mir die Kraft, Dich zu fassen. Und Du fühlst
Dich verstanden? verstanden in jedem Moment? O, bei Deiner
Liebe bitt ich Dich, sage mir, ob Du einen andern an meiner Seite
hattest? ob leise Wünsche in Deiner Seele aufstiegen, denen ich
nicht begegnete?
Nun bist Du wohl angekommen in Berlin, mein teures Wesen.
Sie haben Dich nun wieder, Alexander und Gentz und Mama,
und so viel andre freuen sich Deiner Rückkunft. Aber haben sie alle
zusammen an Dir, was ich in einem flüchtigen Blick, in einem
Händedruck an Dir habe? Ach, ich wollte zusammentreten lassen
alles, was Dich liebte, und mein Herz gegen sie in die Wagschale
legen — o, wenn es nur auf Liebe ankäme, es trüge Dich
davon.
Sieh doch nach das arme Kind, die Goltz *) in Berlin. Ich
kann Dir nicht sagen, wie weh mir das Mädchen tut und wie oft
mir ihr Andenken Tränen entlockt. Du erzähltest mir einmal, sie
habe gesagt: »O, wäre ich doch krank, daß er mich liebte.« Es ist
eine so rührende Einfalt in den Worten, sie sind so aus der Tiefe
eines unendlich wehen Gefühls genommen. Die Arme, wie wird
ihr Herz bluten, wenn Du Berlin verlässest, wie wird sie das glück-
liche Weib beneiden, der es vergönnt ist, sich Dein zu nennen.
O, zürne mir nicht, gute, liebe Seele — ich verdiene ihn nicht,
aber er soll glücklich sein, den Du liebst. Lebe wohl — ewig, ewig
bei Dir.

———
*) Vgl. S. 118.

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