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[ Band 1 Brief 134: Humboldt an Caroline [Berlin], Mittwoch, 23. Februar 1791 ]
und zu finden auf Erden, als uns und was uns liebt. Die stolzen Ideen, womit das Umfassen des Ganzen, das Wirken aufs Ganze erfüllt, schwinden bald dahin; die schöneren von einer alles halten- den, lenkenden, vorsorgenden Kraft haben alle Sanftheit des Ver- trauens, aber nicht die Stärke der Selbständigkeit. Nur wer be- scheiden im Wunsche, genügsam im Besitz und fest vertrauend auf die eigne Kraft, zu wirken und zu leiden, den Kreis seines Da- seins in sich und die Wesen zurückzieht, die mit ihm sich zu ver- binden sehnen, nur dem bleibt die Dauer des Daseins hindurch keine Seligkeit fremd. Jede eignet er sich, und bald fühlt er der geistigen Naturen ewige Herrschaft über das dienende Schicksal. Deines Wesens selbst nicht erkannte innere Kraft war es, die uns verband; geschaffen, einzig geschaffen füreinander, rang das Deine ewig, mich zu beglücken, und kindlich sehnte sich das meine, die Gabe des liebewallenden Herzens zu empfangen. Wenn ich sonst Freundschaft, wenn ich Liebe empfand, was war, woher stammte dies unbefriedigte Sehnen, dies ewig vermissende Gefühl? Oft weint ich stumm und verstand mich nicht. Ach! das war es, diese Tränen riefen — mir selbst nicht klar — Dich, Du einzig Schöne, Dich, Du einzig Meine. Wie anders ist es mir jetzt. Wie ist jetzt jeder Wunsch befriedigt, jede Sehnsucht gestillt, wenn mein Mund Deine Lippen berührt. O! Li, und es ist Dir wie mir. Nein, dies Gefühl alles vollendeten Sehnens, dies Gefühl erreichter Be- stimmung beseligte Dich noch nie, vom Odem keines Wesens umweht. Nur in meiner Nähe empfandest Du es, und daraus entsprang es, daß nun nie, nie eine Trennung ist zwischen uns. Du bist nicht mehr, wenn Dein Bill nicht lebt, und er lebt nicht, wenn Du nicht mehr bist. Li, ich vermag es nicht, weiter zu schreiben. Ach! jetzt sollte mein Auge, jetzt des Herzens entzückter Schlag Dir sagen, was ich empfinde. 417