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[   Band 1 Brief 131:    Caroline an Humboldt     Freitag abend, 18. Februar 1791   ]


Wer hat wie Du das Vermögen, solch ein Glück zu schaffen? —
O, verborgen liegt es in Deinem Wesen, in dem, wovor ich ewig
anbetend mich neigen werde — mein Wilhelm, in dieser göttlichen
Anspruchlosigkeit, in Deinem sanften, milden Geist, seinem hellen,
weiten Ausblick, in Deiner Ehrfurcht vor allem, was Bezug auf
Deine und andrer Freiheit hat. Wer sich selbst nicht respektiert,
respektiert auch nie den andern. Aber wenigen ward dieser leise
Sinn, durch den man nie in den Kreis fremden Genusses greift.
Er ist allein das Eigentum großer Seelen. O, wie Du ihn be-
sitzest, in welcher Fülle und Schönheit und mit welcher Kraft der
Resignation vereint! Bestes Wesen, trauter, geliebter Mann! O,
welch eine Zukunft blüht mir auf! An Deinem Busen, gepflegt,
genährt, getragen von Deiner Liebe, Dein Weib, Deine Geliebte
— Deines schönen Lebens ununterbrochene Zeugin, Deines Herzens
Vertraute, sein erstes und liebstes Gut — ach, laß mich aufhören,
hat die Erde noch ein Glück, das an dieses reicht! — Laß mich
Dich denken und meine Liebe; nur durch sie darf ich mich Dir
nähern, Du großes, unerreichbares Wesen!


132. Caroline an Humboldt        [Erfurt], 19. Februar 1791

Papa ist seit ein paar Tagen trüb und mißmutig. Heute
sagte er mir, daß er an dem siebenten Bogen seines
Briefes für Dich schreibe. Der arme Bill, dachte ich, so
viel Gekritzel von Li, und nun Papas schrecklicher Brief. Wie ich
vorher gesagt habe, seine ganze Lebensgeschichte, er erzählte mir
das selber, und wenn er fertig sei, sollte ich ihn lesen. Mich soll
wundern, was herauskommt. Er mag doch nicht glauben, daß
er Dich belehren wird.

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