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[ Band 1 Brief 127: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend, 10. Februar 1791 ]
Schillern ist’s wohl, sie um sich zu haben. Er ist mild und heiter gestimmt und fühlt mit Freuden sein wieder neu aufblühend Leben. Lili glaubt fast nicht, daß er wieder wird lesen dürfen, und wenigstens in dem ersten halben Jahre gewiß nicht. Im März, wenn das Wetter leidlich ist, nimmt ihn Lili mit nach Rudolstadt, und dann etabliert er sich für den Sommer hier. Es ist mir wohl, Carolinen bis zum April nicht allein zu denken. Über Schillern wollt ich lang schon schreiben und kam immer nicht dazu. Du glaubst kaum, wie geändert er ist. In sich mag er ruhiger, vielleicht in einem ge- wissen Sinne glücklicher sein, doch konnt ich über einige Dinge nicht mit ihm reden, ohne schmerzlich bewegt zu werden, so z. B. über das Verhältnis von Lili zu Dalberg. Er sprach darüber, als ob sie etwas tun könnte oder tun müßte, um eine gleichmütigere Ruhe in sich zu erhalten, ich fühlte, daß einige Saiten in ihm nicht mehr tönten, er schien nicht zu empfinden, daß es Dinge gibt, die man tut oder nicht tut, nicht weil man will, sondern weil man muß. O, Bill, wie mich das ergriff, fühlst nur Du. Selbst gegen Lili wagte ich es nicht auszusprechen. So auch über unser Ver- hältnis — verzeih das kalte Wort — ich konnte nichts sagen. Über alle Ideen hoher, einziger Liebe fühlte ich ihn herabgestimmt — seine ganze Seele lebte in andern Gestalten, er war in jenen eigent- lich fremd geworden, und wenn er Momente lang tiefer in mein Herz sah, als ich es wollte, so fühlte ich an ihm, an seinem Lächeln, seinem Händedruck, daß er diese Erscheinungen holde, freundliche Traumgestalten nannte. Er sprach einmal mit mir von Lottgen und seiner Art, mit ihr zu leben, so recht im Ton der Ruhe, nicht der Resignation. Er sagte sogar, wie er sich überzeugt hätte, daß er mit Carolinen nicht so glücklich gelebt haben würde wie mit Lottgen, sie würden einer an den andern zu viele Forde- rungen gemacht haben, und mit einem Wort, ich fühlte, daß sein Herz keinen Wunsch mehr macht, den Lottgen nicht erfüllen 396