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[ Band 1 Brief 122: Caroline an Humboldt [Erfurt], 2. Februar 1791 ]
diese Jungfräulichkeit der Seele, diesen unaussprechlichen Sinn erhalten hat. Man faßt es nicht, aber in seiner Nähe fühlt man das Walten seines Geistes, sich selbst empfindet man schöner und besser. — Nachmittags Ich habe heut morgen über Dalberg geschrieben. Ja, ich fühle es immer mehr, daß es eine der schönsten Blüten unsres vereinten Daseins sein wird, viel um ihn zu leben. Wir werden unendlich viel von ihm empfangen, o, und ich darf es in der Wahrheit reinsten Gefühlen sagen, wir werden ihm auch viel geben. Du vor allem. Nicht bloß durch die Wärme, mit der Du Dich an das Schöne anzuschließen vermagst, auch durch die unaussprechliche Milde Deines Wesens, durch Deinen zarten, beweglichen Sinn, durch das innige Verlangen, das man immer in Dir empfindet, die Wahrheit in ihrer reinsten Gestalt aufzusuchen. Dalberg wird Dich unendlich lieben, denn er hat Sinn für alles das, wie niemand, und ich fühle oft in seiner Seele eine leise, sich kaum selbst ge- standene Sehnsucht nach einem Wesen, das seinem Kopf genüge und sein Herz auffasse. Er sagt mir oft, wie wohl es ihm tut, Dominikus in seinem Hause zu haben, und doch ist Dominikus nicht der, der ihn ganz zu verstehen vermag. Eine liebe, weiche, innig gute und reine Seele, man könnte seinem Herzen alles an- vertrauen, aber sein Kopf ist nicht beweglich genug für Dalberg. Er weiß viel, aber der Gang seiner Studien hat etwas so Schweres und Dunkles in all sein Wissen, überhaupt in sein ganzes Wesen gemischt, daß er es nie verlieren wird. Dominikus ist sehr arm, fremd und ohne Unterstützung hierhergekommen, dazu kränklich. Er hat viele Jahre in der äußersten Dunkelheit gelebt, einmal eineinhalb Jahr gar nicht das Bett verlassen können, und dazu immer studiert, teils aus eigenem Antrieb, teils wohl auch, um sich in der Zukunft eine Existenz zu verschaffen. Dabei ein warmes, liebeverlangend Herz, getäuschte Hoffnungen, vielleicht auch unter gewissen Um- 383