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[   Band 1 Brief 119:    Humboldt an Caroline    [Berlin], 22. Januar 1791   ]


                                                     Sonntag früh
Ich habe gestern über Lili geschwatzt, ich weiß nicht, ob ich
Dir ganz verständlich gewesen bin. Aber ich muß Dir alles sagen,
was ich denke, bist ja meine Li und ich Dein Bill. O! wer faßt
die Seligkeit dieses Gefühls. O! nicht wahr, Li, dieses Eigensein
ist das Höchste dessen, was die Liebe zu geben vermag. Es ergreift
so das ganze, ganze Wesen. Du bist mein! Es ist nun nichts
mehr in Dir, was Du nicht mir geben wolltest, was Du nicht
nun für mich liebtest, hegtest, sorgsam bewahrtest, und ebenso ist’s
in mir, und daß es so ist, gibt Dir das einzige Glück, ist Deines
Daseins einzige Ruhe. Aber laß mich von dem Ausdruck scheiden,
Li. Laß mich mein ganzes Wesen nur der glühenden Erinnerung
hingeben. Laß mich Dich wieder sehn, wie Du vor mir saßest und
ich kniete. Da, nur da fühlte ich, fühltest Du es ganz, was dies
Eigensein heißt. Oft denk ich mir, wie wir so unendlich glücklich
wären, wenn wir nur diesen oder jenen Stoff unsers wonnigen
Genusses allein besäßen. Wenn nun nicht diese Liebe Dein ganzes
Wesen beseelte, wenn Du mir nur hold und gut wärst, wie Du
mir sein würdest, wenn nicht dies Gefühl Dich durchdränge, so
wäre es schon so beneidenswert, Dich zu sehen, um Dich zu leben,
diese Größe, diese Schönheit des Wesens aufblühen zu sehen in
selbstgeschaffener Freiheit. Und nun liebst Du mich so, nun bin
ich allein bestimmt, Dir jedes Glück zu geben und jedes von Dir
zu empfangen. Zu empfangen? — Verzeih mir, nicht immer dacht
ich das. Ach! es gab ja eine bange, wehe und dann doch wieder
süße Zeit, in der ich nicht ahndete, wie Du mich liebtest, und da
dacht ich nur, Dir Glück zu geben. »Es ist ein beneidenswertes
Los, Wilhelm, Lina zu beglücken,« sagte mir Carl, als wir den
Morgen nach Eurer Abreise nach Lauchstädt noch in W’s. Stube
saßen. Wir waren doch beide trefflich, und ohne Stolz kann ich
sagen, daß ich nur einen, wie wir zwei, nie wieder fand. Mehr

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