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[   Band 1 Brief 118:    Caroline an Humboldt     [Erfurt], 21. Januar 1791, abends   ]


wie zerrüttet ihre eigene Gesundheit ist. Das liebe Geschöpf möchte
gern all ihren Geliebten Schmerz ersparen und allein leiden. Ach,
mein Herz zittert für sie in dem einsamen Sein zu Rudolstadt.
Trotz allem wünscht ich sie in Jena. Ihr Dasein würde Schiller
wohltätig sein, und dies Gefühl freundlich auf sie zurückwirken.
Starke *) gibt gute Hoffnung zu Schillers Genesung, aber sie scheint
langsam zu gehn, und dann sind diese Krankheiten auch so wechselnd.
Ich fühle an mir, wie es Lilin sein muß, und das Herz ist mir
so wund, daß ich nichts davon sagen mag.
Ich war diese ganze Woche mit Dalberg in Gesellschaft und
viel allein, in langen, ungestörten Unterhaltungen. Es entfiel ihm
auch nicht ein Wort, das den entferntesten Bezug auf Lilin gehabt
hätte, und so oft er mit andern sprach, ruhten seine Blicke immer
fest auf mir, bewegt und mit vollem Herzen trat er wieder zu mir,
schwieg und fing von fremden Dingen an zu reden. Wie mir wird
bei dem allen, o Bill, wie weh bei dem Gedanken, daß diese beiden
einzig schönen, einzig füreinander geschaffenen Wesen sich so
quälen und den schönsten, segenvollsten Genuß des Lebens ver-
lieren — o, Du fühlst es allein! Wäre mir Lili nicht so an die
Seele geknüpft mit allen Banden der Liebe, versänke vor Dalbergs
heiligem Wesen mein Geist auch nicht so in Anbetung und Liebe,
ich müßte dem verlorenen Genusse Tränen des Schmerzes weinen,
und nun —— ach, Bill, wenn Du sie gesehn hättest wie ich —
das engelreine Weib, so einzig und unaussprechlich in ihn ver-
sunken, nur noch an das Dasein gebunden durch ihn, durch die
Hoffnung einer schöneren Zukunft, hingegeben allen Qualen der
Ungewißheit, mit dem drückenden Gefühl der Gegenwart belastet
— oft lag ich bebend zu ihren Füßen und fragte mich, womit ich,
ich das unaussprechlichste Glück des Lebens verdiente, womit die
Wonne, mein Schicksal so gelöst zu sehen? Ach, Bill, dann schwebte

———
*) Arzt, Hofrat in Jena.

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