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[   Band 1 Brief 114:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Mittwoch mittag, 5. Januar 1791   ]


                                                Donnerstag abend
Die Erinnerung der Weimarschen Tage verläßt mich keinen
Augenblick. In ihnen allein fühl ich wieder ein glühendes Leben,
wieder ruhigere, minder verzehrende Wonne, als in dem bangen
Blick auf die ungewisse Zukunft. Wie mir das alles so neu war,
wie es mich mit ungeahndetem Entzücken überraschte. Hatte ja nie
gehofft, daß Du mich lieben würdest. Und nun fühl ich diese Glut
in Dir, dieses Aufnehmen meines ganzen Wesens, dies Hingeben
des Deinen. Da entsprang zuerst in seiner ganzen, unendlichen
Schöne das Bild Deines Daseins an meiner Seite, da empfand
ich zuerst, daß nur durch mich höchste Freiheit des Geistes und
der Empfindung und glühendste, zärtlichste Liebe Dich von Stufe
zu Stufe des Seins und des Genießens führen sollte. Tief hab
ich Dein Wesen aufgefaßt, meine Li, und immer gewisser fühl ich
es, daß Du allein der Freiheit und der Liebe bedarfst, um alles
zu werden, was Menschen zu werden vergönnt ist. Und warum
sag ich Freiheit und Liebe? Es gibt keine Freiheit ohne die Liebe,
und der Maßstab der letzteren ist der höhere oder geringere Grad
der uneingeengten Freiheit. Sonst dacht ich mir wohl auch ohne,
wenigstens ohne gegenseitige Liebe eine solche Freiheit in der ge-
meinsamen Existenz. Aber ich fühl es jetzt völlig klar und gewiß,
daß das eigene Wesen nur da nicht eingeengt ist, wo ewig das
Gefühl lebt, daß die Liebe des andern in jeder freien Äußerung
selige Freude findet. Wie erschien mir überhaupt sonst alles
so anders, wie sah ich so viel weniger die heilige, innere Wahrheit
der Dinge. O! Du, Du Unerreichbare, Du teures, angebetetes
Weib, Du erst hast mir den Blick gegeben, Du meinem Geist die
Kraft verliehen, hinzudringen, was sonst dichte Schleier mir ver-
hüllten. Und glaube mir, meine Lina, die Gewißheit, mein Wesen
so erhöht zu haben, gibt Dir das wundergleiche, oft Dir selbst noch
erstaunenswerte Entzücken, womit Deine Liebe Dich erfüllt. Und

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