< zurück Inhalt vor >
[ Band 1 Brief 113: Humboldt an Caroline [Berlin], Sonnabend, 1. Januar 1791 ]
hängt. Aber wer spricht sie aus, alle die Freuden, welche das Gefühl eines liebenden Herzens sich schafft? Noch mehr, noch un- aussprechlich mehr lag für mich in meiner Bitte. Dich zu bitten, und um etwas, das Du wahrscheinlich, wie ich wohl sah, nicht so tun könntest, und dann Dich in höchster Freiheit handeln zu sehen, das war mir noch so süß, zu sehen, daß das Gefühl, daß nur Deine freieste Existenz mein höchstes Glück ist, so stark in Dir ist, daß nie auch der Liebe süßeste Bitte diese himmlische Freiheit in Dir einengt. O! mit Gewißheit sag ich es wahr, denn tief hab ich Dein Wesen aufgefaßt. Ach, Li, laß mich noch einmal sagen, ich verdiene Dich nicht, aber ich fasse Dich, und ich liebe Dich ... Montag abend, 3. Januar . . . . Die Art, wie Du meine künftige Existenz ansiehst, ist so unendlich schön, so frei von allem, selbst der Liebe eigenem Wünschen, so einzig auf mich gerichtet. Ach! Li, es ist in mir wie in Dir, Du, wozu Dein Wesen sich erheben kann, das liegt mir in der Seele. Es hat mich so innig gefreut, so eine neue Ähnlichkeit in uns zu finden. Du sagst, wenn Du manchmal die Verhältnisse und Verbindungen bedacht hättest, in welchen ich in dieser Laufbahn fortleben müßte, hättest Du bitter gelacht. Diese Bitterkeit ist sonst gewiß weder Dir noch mir eigen. Aber auch mir ging es so, wenn ich bedachte, welche elende Kleinigkeiten, die jetzt früheren Genuß raubten, künftig oft die volle Freude am ver- einten Dasein rauben würden . . . Aber nur noch einmal, meine Li, sieh wohl auf Papa. Aus Liebe zu mir könntest Du weniger in seinen Gesichtskreis treten. Laß uns nichts gewaltsam machen. Es geht keine Ruhe und kein Glück da hervor, wo man Ruhe raubt . . . . Lebe wohl, Du Holde, Einzige. Umarme Lili. 353