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[ Band 1 Brief 112: Caroline an Humboldt [Erfurt], Donnerstag abend 6 Uhr, 30. Dezember 1790 ]
den andern in Rudolstadt, wo wir ihr oft die Zeit vertreiben helfen. So warten wir ab, bis der Goldschatz *) nach Mainz als Kurfürst geht, und wir ziehen ihm dann nach. Wäre wohl ein goldnes Leben! Nicht wahr, Bill? Adieu, mein Bill. Muß nun aufhören, um zu Dalberg zu gehen. Sonnabend abend, den 1. Januar 1791 Das erste Wort, das ich in diesem Jahre schreibe, muß für meinen Bill sein. Es ist wieder so heimlich um mich. Lili und Lottgen sitzen mir zur Seite. Gestern abend kam Schiller mit Lottgen an. Es tat mir unendlich wohl, sie wiederzusehen und die beiden lieben Wesen um mich zu fühlen. Lottgen hat so in allem den süßen Ausdruck der Ruhe, der Zufriedenheit, des innigsten Wohlseins — es wird mir wohl und weh, wenn ich sie neben Schiller sehe, wenn sie sich so öffentlich Du nennen und er sie »liebe Frau« ruft. Ach, wenn die Zeit, wo ich so mit meinem Bill existiere und ein so tausendfach höheres Glück genieße, als noch dieses ist, dessen Zauber ich schon so wohltätig um mich fühle. Mit Schiller wird sich manches reden lassen. Der heutige Tag ging fast ganz unbenützt hin, weil man der Gesellschaft so viel geben mußte. Heut morgen war unter anderen ein Professor Paulus von Jena hier, der sich mit einem seiner Freunde aus Göttingen, Professor Seiffert *) ein Rendezvous gegeben hatte. Ich nahm mir das nicht an und war mit Lottgen und Madame Paulus in Carolinens Zimmer. Da kam Schiller und bat Lottgen und mich, in Papas Stube zu gehen, weil Seiffert mit Dir in Göttingen in einem Zimmer logiert hätte und uns sehr zu sehen wünschte. Wir waren in zwei Sprüngen da. Seiffert nahm sich sehr artig, um mit mir auf Dich zu kommen, und wie endlich die Konversation entamiert war, sprach er so warm und sagte, wie er ——— *) Dalberg. **) Felix Seyffer, Professor der Astronomie in Göttingen. 349