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[   Band 1 Brief 98:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Mittwoch, 24. November 1790   ]


fühle ich wahr in mir, wie Du sie empfindest. Mit den übrigen
Gestalten, wie ich Dir erscheine, ist’s anders. Da siehst Du mich
so hoch, so groß, so über Dich selbst, wo ich fühle, daß Deine
Liebe mich trägt, aber daß ich Dein nicht wert bin. Zürne nicht,
Li, daß ich das oft sage, daß ich nur jener Namen so ganz tief
mich freue. Laß mir den kindlichen Sinn. O! Du, Du Meine, bist
ja so unendlich, so unnennbar viel, wie sollte ich’s wagen, an Dich
reichen zu können? — Aber sonderbar ist’s, so heilig mir die ein-
fache Wahrheit des Herzens ist, so gewiß nie die leiseste Empfindung
in mir sie verletzt, so gibt es hier ein paar Zirkel, wo ich beinah
für das Gegenteil gelte, und unter Leuten, die mir doch mehr als
andre wert sind und ungeachtet jener Idee gern mit mir um-
gehn. Ein sehr gutes, feinempfindendes Mädchen sagte mir neulich
geradezu, daß sie mir schlechterdings nicht trauen könnte und sich
immer in acht nähme, nicht durch das ehrliche Gesicht getäuscht
zu werden. In alle dem ist freilich oft viel Scherz, viel auch
wenigstens durch Scherz veranlaßt. Allein ich fühl es auch sehr
gut, wie auch im Ernst der Argwohn entstehen und lang dauern
kann. Ich erscheine wirklich manchmal in sehr verschiedenen Ge-
stalten und sorge fast nie dafür, den andern die Konsequenz,
wenigstens die Wahrheit sehen zu lassen, die doch darin ist. Auch
ist in meinen Ideen und Empfindungen so selten etwas Aus-
schließendes. Selbst bei dem tiefsten Gefühl einer Gattung er-
scheint mir ein andres einer ganz entgegengesetzten nie in einer
völlig gehässigen, unerträglichen Gestalt. Vielmehr behalte ich immer
noch Sinn für die reizende Seite, die es hat, und das, was nun
eigentlich mein ist, wird höher und größer, je höher ich auch jenes
mir denke. Ich kümmere mich jetzt so wenig um das Urteil andrer.
Wenn Li mich liebt, was sind sie mir? Aber eh ich noch diese
Übereinstimmung in uns fühlte, die mich jetzt so beseligt, eh ich
noch mich so von Dir verstanden wußte bis in die innersten, ge-

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