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[   Band 1 Brief 91:    Humboldt an Caroline    [Berlin], Montag, 8. November 1790   ]


gedacht, wenn Li auf einmal herkäme, wie hübsch das wäre, brächte
dann Li zu Mama, ließe mich trauen und reiste mit ihr zurück.
Man ist so kindisch. So eine Idee kann mich manchmal so lang
beschäftigen, daß ich anfange, sie für wahr zu halten, und Dich er-
warte. — Also gefällt Dir das Bild doch? Dacht es kaum. Denn
mir selbst gefällt’s nicht recht. Den Mund fand ich auch gut, aber
die Augen sind so grell und sehen so lustig aus. Das glückliche
Bild. Naht nun an Deinem Busen, wird von Deinen lieben
Händen gehalten, glüht von Deinen Küssen und gibt Li süße
Freude. Wer das selbst könnte! So oft, Li, wähne ich vor Sehn-
sucht zu vergehen, begreife nicht, wie ich’s ausdaure in diesem
öden, getrennten Leben, in diesen beinah immer geistlosen Arbeiten,
unter den Menschen, für die mein Herz nichts, gar nichts empfindet.
Und dann denk ich wieder, Li trägt’s auch und trägt mehr und ist
still oder versenkt in Erinnerung aufblickend zur schönen, auf-
dämmernden Zukunft, und schelte mich selbst, daß ich’s nicht
dulden wollte, und weine und werde nicht ruhiger eigentlich, aber
stiller.


92. Humboldt an Caroline     [Berlin], Donnerstag abend,
                                       11. November 1790

Ach ich erschrak, als ich las, daß es erst sieben Wochen sind
seit unsrer Trennung. Jetzt sind’s auch acht. Habe doch
jede Woche gezählt, aber wenn ich zurückdenke, dann ist’s
ein Jahr. So geht’s mir immer. Es ist nicht bloß der Schmerz,
der diese Empfindung in mir hervorbringt, nicht bloß die Sehn-
sucht. Alle Dinge wirken so tief auf meine Seele, und meine Seele
nimmt so geschmeidig den Eindruck an, den sie machen, daß ich
mich schon darüber ertappt habe, oft zu nennen, was ich einmal
und zweimal tat. Darüber werd ich oft ausgelacht. Noch neulich

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