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[ Band 1 Brief 69: Caroline an Humboldt Dienstag nacht 1/2 4 Uhr [14. September 1790] ]
wärtig sein sollst, wo Du allein lebst, daß ich sein werde ohne Dich. — Vergib, vergib, Du bleibst ja bei mir — o ich werde noch fern jeden Laut Deines Wesens vernehmen — wo [ist] der Moment, in dem ich Dir, Du mir nicht nahe wärest? — Lebe wohl, Du mein einzig süßes Dasein. Deine Li wird sich der Zukunft erhalten. Unter tausend schmerzlichen Gefühlen sproßt mir in der Seele die liebliche Blüte der Hoffnung — vorahnend sagt mir eine leise Stimme, sie wird sich entfalten. —— Mein Licht ist heruntergebrannt, ich muß aufhören, ach, gäbe Dir dieses Blatt einen Moment Freude — nicht ihre lichten Blicke können wir auf- fassen — laß uns menschlich sein, Bill, zufrieden mit der sanften Dämmerung. — Ich kann nicht mehr, o lebe tausendmal wohl, teures, unaussprechliches Wesen. — Gegen Mittag [14. September 1790] Wie hast Du mich verlassen können? wie Dich trennen von Deinem eigenen Leben? Lebst Du noch, Bill, oder ist Dein Herz in die tote Erstarrung des meinen versunken? Weh, ich habe Dich und mich betrogen. Ich habe auf Kräfte gerechnet, die der letzte Hauch Deines Mundes verweht, Dein letzter Kuß vernichtet hat. Ich habe Dich aus meinen Armen gelassen — mein eigen Dasein hab ich mir entwandt! — O, Bill, Bill, komm zurück — ich trag es nicht — Du weißt ja, daß mein Herz viel tragen kann, aber dies — — ach verzeih, verzeih, meine Sinne sind verwirrt, meine Seele ist mir entrissen — diese Dumpfheit — mir ist, als fühlt ich mich langsam vernichten. — Ich kann nicht weinen. Meine Augen sind trocken und brennen fürchterlich. Wie sie Dich nicht mehr sahen, versiegten auch die lindernden Tränen. — Abends 10 Uhr Sei gesegnet mit ewigem Frieden, teures, heiliges Wesen. Du hast mich mir wiedergegeben, das Gefühl meines Daseins und 206