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[ Band 1 Brief 65: Caroline an Humboldt [Burgörner], Dienstag abend den 6. Juli 1790 ]
und doch — ich weiß nicht, was ich will. Wenn nur Papa nicht zugegen ist — er hat letztens so große Augen gemacht, wie er von Küssen hörte. Die Schmidtin sagte mir gestern in ihrer Unschuld, »der gnädige Herr ist wohl nie verliebt gewesen, denn er versteht gar nicht, wenn man so etwas sagt?« Sei der Schmidtin recht artig, sie hat großen Einfluß beim Papa. Höre, Wilhelm, wenn Du nicht bald kommst, so ist’s so um mich für Dich getan. Du hast mich auf ewig verloren. Sieh die beiliegenden Porträts an. Es sind lauter Liebhaber — Fran- zosen — die nur auf einen Wink von mir warten, um herzufliegen. Ich habe eine große Vorliebe für den Offizier, doch ganz dezidiert bin ich noch nicht, und darum schick sie mir wieder. Du meinst wohl, Du Loser, Flatterhafter, hättest allein das Recht, so herum- zuliebeln? — Und noch dazu lauter Jüdinnen — es ist entsetzlich. Sehr artig und süß beschreibst Du’s, aber trotz Dir sag ich doch mit Gretchen: »Wenn man’s so hört, möcht’s leidlich scheinen, Steht aber doch immer schief darum, Denn du hast kein Christentum« Gottseibeiuns, alle meine Liebhaber, auch diese, sind gute Christen. An den Abbé stoß Dich ja nicht. Er verläßt alles, zu meinen Füßen zu fliegen. Bring gute Degens mit, wenn die Bursche etwa kämen und Du hier wärst, Du müßtest doch Miene machen, Dich um mich zu schlagen. Wilhelm, Du bist ein gefährlicher Mensch. Das seh ich aus allem, was Du über Brinkmann sagst. Es ist das beste, sich Dir auf Gnade oder Ungnade zu ergeben, denn Du holst die Menschen aus und wendest sie, wie Du willst. Das will ich denn auch. Willst Du mich, Wilhelm? sag, süßes Leben, liebster Bester? Ach, ich habe keinen Namen für Dich — so tot, so kalt alles, und so glühend mein Herz. — Ich Glückliche — Wilhelm, es hat kein menschliches Herz geliebt, wie ich Dich 198